Hallo, Frau Wissler, wie stehen Sie zu dem angeblich demokratiefördernden Instrument der Bürgerräte?
Hallo, Frau Wissler, diese Woche wurde die Einrichtung eines Bürgerrats von den Regierungsparteien hoch gefeiert. Dabei stellt dieses Instrument m.E. einen klaren Rückschritt gegenüber dem Ziel der bundesweiten Volksentscheide dar. Die Grünen sind ja seit ein paar Jahren von diesem Ziel abgerückt.
In den Medien meldete sich als kritische Stimme zu den Bürgerräten nur die Stimme von rechts, die der CDU, die als einzige Partei schon immer gegen außerparlamentarische Formen der Mitbestimmung war.
Was fehlte, war die kritische Stimme von Links, die unsere Gesellschaft unbedingt braucht, wie Sie selber immer betonen. Warum haben Sie sich nicht zu Wort gemeldet und die Nachteile der Bürgerräte gegenüber bundesweiten Volksentscheiden in die Medien gebracht? Politikverdrossenheit und AfD-Wähler sind letztlich die Folge, wenn Sie Ihre Stimme nicht erheben.
Mit freundlichen Grüßen, Engelbert M. M.

Sehr geehrter Herr M.,
vielen Dank für Ihre Frage und Ihr Interesse an diesem wichtigen Thema.
Wir, DIE LINKE, setzen uns seit Langem für mehr direkte Demokratie ein und fordern die Einführung von Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheiden auf Bundesebene. Wir halten bundesweite Volksentscheide für ein essenzielles Mittel, um den Willen der Bevölkerung direkt in politische Entscheidungen einfließen zu lassen.
Allerdings teilen wir Ihre Sorge, dass im Fall der Bürgerräte diese von der Regierung nicht ernst genug genommen werden. Unsere Gruppe hatte die Bundesregierung konkret gefragt, in welchem Umfang und in welcher Form die Ergebnisse und Empfehlungen bisheriger Bürgerräte in politische Maßnahmen oder Gesetzgebungsprozesse eingeflossen sind. Leider fiel die Antwort ausweichend und unkonkret aus. Es ist enttäuschend, dass die Regierung kein einziges Beispiel nennen konnte, bei dem die Ergebnisse eines Bürgerrats tatsächlich in die Gesetzgebung eingeflossen sind. Wir fordern, dass die Ergebnisse von Bürgerräten ernsthaft diskutiert werden – zum Beispiel durch eine verbindliche Stellungnahme des Bundestags, wie es in Belgien praktiziert wird.
Abschließend möchte ich betonen: Bürgerräte und Volksentscheide sind für uns keine Alternativen, sondern sich ergänzende Werkzeuge, um die Demokratie zu stärken. Beide Instrumente müssen so gestaltet sein, dass sie Transparenz, Gleichberechtigung und die Möglichkeit zur breiten gesellschaftlichen Teilhabe sicherstellen.
Mit freundlichen Grüßen
Janine Wissler, MdB