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Jan-Christoph Oetjen
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Frage von Lydia E. •

Frage an Jan-Christoph Oetjen von Lydia E. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Oetjen,

als von mir gewählter Abgeordneter erwarte ich jetzt von Ihnen, daß Sie gegen das erpresserische Verhalten der Länder Polen und Ungarn ganz entschieden vorgehen. Dieses Verhalten steht ganz und gar gegen den Europäischen Gedanken, vor allem gegen Artikel 2.
Es wird Zeit, daß sich 25 Länder nicht von 2 Ländern erpressen lassen und endlich mal Flagge zeigen. Damit wird allen EU-Bürgern gezeigt, daß die EU nicht alles mit sich machen läßt.

Meine Fragen:

Wann stellen Sie einen Antrag gemäß Artikel 7 EU-Vertrag, um beide Länder von der Abstimmung des EU-Haushaltes auszuschließen, da bereits festgestellt wurde, daß beide Länder schwere Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit gemäß Artikel 2 verüben.

Wie lange dauert dieses Antragsverfahren?

Kann das Vetorecht bei anschließender Neu-Verhandlung ausgeschlossen werden?

Mit freundlichen Grüßen

Lydia Ecknigk

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Antwort von
FDP

Sehr geehrte Frau E.,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum Rechtsstaatsmechanismus in der Europäischen Union. Das Europäische Parlament setzt sich konsequent für die Einführung eines wirksamen EU-Mechanismus zur Wahrung dieser zentralen Werte und Rechte ein. Bereits im Jahr 2016 forderte das Parlament die Kommission in einer Entschließung auf, Rechtsvorschriften zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit auszuarbeiten. Hintergrund waren Entwicklungen in manchen Mitgliedstaaten, die deutlich gemacht hatten, dass das Rechtsstaatsprinzip nicht konsequent eingehalten wurde.

Daraufhin legte die Kommission einen Gesetzesvorschlag vor. Entsprechende Vorschriften traten im Januar 2021 in Kraft: Ein Rechtsstaatlichkeitsmechanismus wurde geschaffen. Er sorgt für einen jährlichen Dialog zwischen dem Parlament, der Kommission, dem Rat, den Mitgliedstaaten und weiteren Interessenträgern. Dabei können sie sich über aktuelle Herausforderungen für den Rechtsstaat austauschen. Darüber hinaus eröffnet der Mechanismus die Möglichkeit, Zahlungen von EU-Haushaltsgeldern an Staaten auszusetzen, die gegen das in den EU-Verträgen verankerte Rechtsstaatsprinzip verstoßen.

Polen und Ungarn hatten gegen den Rechtsstaatlichkeitsmechanismus geklagt, doch der Europäische Gerichtshof entschied im Februar 2022, den Mechanismus aufrechtzuerhalten. Die Kommission kann deshalb nach wie vor Zahlungen an Mitgliedstaaten aussetzen, die gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoßen. Die Kommissionspräsidentin erklärte, die Kommission werde das Urteil des Europäischen Gerichtshofs nun sorgfältig prüfen, bevor sie weitere Schritte ergreift. Meiner Meinung nach hätte Frau von der Leyen diese Schritte längst einleiten müssen.

Seit der Einführung des Rechtsstaatlichkeitsmechanismus hatte das Parlament die Kommission wiederholt und konsequent aufgefordert, Zahlungen an Mitgliedstaaten, die das Rechtsstaatsprinzip nicht einhalten, auszusetzen.

Im Oktober 2021 urteilte das polnische Verfassungsgericht, dass bestimmte Teile der EU-Verträge nicht mit dem polnischen Verfassungsrecht vereinbar seien und daher für Polen nicht gelten könnten. In einer daraufhin angenommenen Entschließung betonte das Europäische Parlament, dass das Verfassungsgericht unrechtmäßig sei. Ferner forderte es die Kommission auf, Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, den Rechtsstaatlichkeitsmechanismus in Gang zu setzen und die für Polen bestimmten Gelder aus dem Fonds für den Wiederaufbau nach der Coronakrise (NextGenerationEU) einzufrieren, bis das Land die Unabhängigkeit der Justiz gewährleisten kann.

Anfang Juni hat das Europäische Parlament richtigerweise die Genehmigung des polnischen Konjunkturpakets abgelehnt. Die Rechtsstaatlichkeit ist einer der Eckpfeiler der Europäischen Union. Aber die Zeit hat gezeigt, dass die Kommission nicht in der Lage ist, ihre eigenen Werte durchzusetzen. Nicht wegen mangelnder Fähigkeiten, sondern wegen mangelnden Willens: Das zeigt die enttäuschende Entscheidung Ursula von der Leyens, den EU-Recovery Plan für Polen einzusetzen. Gegen die Urteile des Europäischen Gerichtshofs. Gegen den Willen des Europäischen Parlaments. Auch wenn Polen unsere Solidarität braucht, um den erheblichen Zustrom von Flüchtlingen aus der Ukraine zu bewältigen, sollte diese Situation nicht dazu missbraucht werden, ein schwaches und nicht rechenschaftspflichtiges Konjunkturprogramm für Polen durchzusetzen - eine Belohnung für den schweren Verstoß gegen die Unabhängigkeit der Justiz und die Rechtsstaatlichkeit. Das Europäische Parlament wird die weiteren Schritte genau beobachten. Es darf nicht einen Cent für eine Regierung geben, die unsere Werte mit Füßen tritt.

Letzteres gilt selbstverständlich auch für Ungarn. Die Regierung Orbans darf keine Unterstützung für ihren homophoben Kurs sowie für die Aushöhlung des Rechtsstaats bekommen. Das EU-Parlament hat am 12. September 2018 den Rat nach dem Artikel-7-Verfahren aufgefordert festzustellen, dass die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Werte, auf die sich die Union gründet, durch Ungarn besteht (Informationen zum Artikel-7-Verfahren befinden sich im Anhang). Nachdem die EU-Kommission das Verfahren am 27. April 2022 in Gang gesetzt hat, muss nun der Rat mit Mehrheitsbeschluss und Unterstützung des EU-Parlaments entscheiden, ob und wie viele Haushaltsmittel gekürzt oder zurückgehalten werden sollen. Mindestens 15 Länder mit mindestens 65 Prozent der in der EU lebenden Bevölkerung müssen sich dafür aussprechen. Ungarn ist bei dem Votum als betroffener Staat nicht abstimmungsberechtigt.

Mit freundlichen Grüßen

Jan-Christoph Oetjen

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