Wie soll es gelingen, anerkannte Asylbewerber auszubilden, die Netto mehr bekommen (inkl. Vergünstigungen) als ein qualifizierter Handwerker durchschnittlich Brutto verdient?
Sehr geehrte Frau Schäfer,
Liebe Jamila,
in Bewerbungsgesprächen sitzen mir wiederholt Bewerber gegenüber, denen die Reife für eine Ausbildung fehlt. Deren Ziel ist langfristig eine Beschäftigung in einem Konzern (Automobilindustrie in München) für die eine handwerkliche Ausbildung die Grundlage sein soll.
1. Wieso sollte mein Unternehmen Zeit und Kapital investieren wenn anschließend ein Konzern (der deutlich besser zahlt) den Nutzen ohne Aufwand hat?
2. Weshalb werden ausschließlich Flüchtlinge bei der Suche nach knappem Wohnraum ehrenamtlich unterstützt, obwohl auch Einheimische das Problem haben (mit 15€ Brutto lassen sich 64€/abgerockte qm nicht finanzieren um den Arbeitsvertrag zu erfüllen).
3. Warum lese ich seit 2015 Artikel über Bauträger, die neuen Wohnraum für Asylbewerber/ Fehlbeleger schaffen (7qm anteilig zu 525€ monatlich), nicht jedoch für einheimische? Werden Anreize (Baugenehmigung, Thematisierung, Kapital) von politischen Entscheidern einseitig geboten?
Fre
Das Problem, dass Konzerne in einem Wettbewerb um ausgebildete Arbeitskräfte kleinere Betriebe leicht übertrumpfen können, ist erst einmal völlig unabhängig von der Frage, ob es sich um Geflüchtete etc. handelt. Es ist aber vorhanden, und kann sich durch den zunehmenden Arbeits- und Fachkräftemangel deutlich verstärken. Durch Zuwanderung wird dieses Problem zumindest ein wenig gedämpft, weil sich dann nicht alle Unternehmen um ganz wenige Arbeitskräfte streiten müssen. Grundsätzlich ist es ein Unding, wenn große Konzerne sich bei der Ausbildung zurückhalten und dann die Früchte der Arbeit kleiner Ausbildungsbetriebe genießen. Allerdings werden die Konzerne durch den zunehmenden Wettbewerb um Arbeitskräfte auch immer stärker gezwungen sein, sich ihr Personal schon in der Ausbildung zu sichern. Kleine Handwerksbetriebe können da bei motivierten Arbeitskräften aber wahrscheinlich mit Faktoren wie spannenderen, sinnstiftenderen Tätigkeiten, mehr Selbstwirksamkeitserfahrung im Job, mehr Eigenverantwortung und einem familiäreren Betriebsklima kontern. Bürgergeld oder Leistungen für Asylbewerber*innen können da eigentlich nicht als "Motivationsbremse" wirken, denn jeder erhält grundsätzlich mehr, wenn man arbeiten geht, als wenn man nicht arbeiten geht. Statistiken belegen sogar, dass seit der Einführung des Bürgergelds der Wechsel von Arbeit in die Grundsicherung auf einen Tiefstand gesunken ist (Bürgergeld fördert Wunsch nach Arbeit, zeigen Statistiken - DER SPIEGEL). Wenn das Bürgergeld höher liegt als der reine Arbeitslohn, dann ist man selbst noch berechtigt aufzustocken, und dann erhält man in Kombination aus Arbeitslohn und ergänzenden Leistungen deutlich mehr als wenn man nur Bürgergeld bezieht. Ein Problem ist dabei nur, dass den Menschen oft von konservativeren Politiker*innen etwas anderes eingeredet wird, so dass sie dann falsche Entscheidungen treffen, mit denen sie sich selbst schaden. Arbeit lohnt sich also immer.
Es gibt viele Gründe, weshalb Geflüchtete es besonders schwer haben, regulären Wohnraum zu finden. Wir sind deshalb sehr dankbar dafür, wenn sich engagierte Bürgerinnen und Bürger genau darum bemühen. Ihre Idee, auch einheimische Menschen ehrenamtlich bei der Wohnungssuche zu unterstützen, ist toll und durch das Engagement für Geflüchtete ja keineswegs ausgeschlossen. Denn Sie haben Recht: Das Problem teurer Mieten und zu knappen Wohnraums ist keines, das lediglich Geflüchtete betrifft. Uns als Grünen und der gesamten Bundesregierung ist das sehr bewusst. Um über Lösungen zu beraten, hat die Bauministerin ein "Bündnis bezahlbarer Wohnraum" ins Leben gerufen (https://www.bmwsb.bund.de/SharedDocs/topthemen/Webs/BMWSB/DE/buendnis-bezahlbarer-wohnraum/buendnis-Artikel.html). Um diese Lösungen umzusetzen, stellen wir finanzielle Mittel zur Verfügung: Allein im Haushaltsetat 2024 des Bauministeriums sind es 1,58 Mrd. Euro für den Sozialen Wohnungsbau. Hinzu kommen verschiedenste Förderungen im Bau- und Wohnbereich über die KfW-Bank. Wo Menschen mit geringerem Einkommen Schwierigkeiten haben ihre Mietkosten zu stemmen, hilft das Wohngeld, für das 2,42 Mrd. Euro im Jahr 2024 bereitgestellt wurden. Speziell auf den Bau von günstigen Wohnungen zielt darüber hinaus ein kürzlich neu beschlossenes Programm "Klimafreundlicher Neubau im Niedrigpreissegement" ab, mit dem Wohnungen im unteren Drittel des örtlichen Mietspiegels geschaffen werden. Dafür hat der Bundestag eine weitere Milliarde zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus müssen aber auch die vereinbarten Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag wie die Mietrechtsnovelle und die Stärkung des Vorkaufsrechts endlich umgesetzt werden. Als Grüne kämpfen wir tagtäglich dafür, dass diese Gesetze endlich beschlossen werden, damit auch die Kommunen schnell Klarheit haben. Sie sehen: Wir gehen das Thema Wohnungsknappheit/teure Mieten an, denn es ist eine soziale Schlüsselfrage unserer Gesellschaft als Ganzes.