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Jamila Anna Schäfer
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Doris B. •

Wie kann eine einheitliche Bürgerversicherung den individuellen Interessen, Bedürfnissen und Schutz der Versicherten gerecht werden?

Sehr geehrte Frau Schäfer,
wie soll denn diese Bürgerversicherung aussehen? Wie kann Ihrer Meinung nach damit das Niveau der Versorgung von privat Versicherten erhalten bleiben, die dafür auch entsprechende Beträge zahlen (können + wollen) und gleichzeitig das von gesetzlich Versicherten erhöht werden? Wie sollte die Künstlersozialversicherung fortbestehen ohne Gefahr zu laufen, diesen wichtigen Schutz zu verlieren? Ich habe Zweifel, ob eine einheitliche Versicherung die Lösung ist. Ich glaube, dass der Zugang zur gesetzlichen Versicherung erleichtert werden müsste und sich die Beitragshöhe an realen Einkünften orientieren muss. Dann würden sich z.B. auch Selbständige viel häufiger darüber versichern. Ausserdem glaube ich, dass eine Ent-Bürokratisierung in der Medizin wichtig wäre, um mehr Zeit für die nötigen Behandlungen zuzulassen (insbesondere gesetzl. Versicherter) und die Belastung von Seiten der Mediziner zu verringern.

Mit freundlichen Grüßen,
Doris B.

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Doris B.

vielen herzlichen Dank für Ihre Frage zur Bürgerversicherung. Gesetzlich Versicherte warten länger auf Termine bei Fachärzt*innen und viele privat Versicherte können sich die hohen Prämien nicht mehr leisten. Ich finde, diese Zwei-Klassen-Medizin ist nicht solidarisch, denn von ihr profitieren wenige, zum Nachteil vieler. 

Wir GRÜNE wollen daher die Sozialversicherungen (Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung) zu Bürgerinnenversicherungen umbauen. Im Moment können Gutverdienende die gesetzlichen Sozialversicherungen verlassen, um nach persönlich vorteilhafteren Lösungen der Krankenversicherung oder der Alterssicherung zu suchen. Mitglieder der privaten Krankenversicherung versichern dabei nur ihr eigenes, meist unterdurchschnittliches Krankheitsrisiko. Das widerspricht dem Solidaritätsgedanken, der diesen Versicherungen zugrunde liegt und ist einfach ungerecht. In die Bürgerinnenversicherung sollen alle Bürgerinnen einzahlen, auch Beamtinnen, Freiberuflerinnen, Selbstständige und Politikerinnen. Und es sollen alle Einkommensarten Mieten, Zinseinkünfte usw. in die Beitragsberechnung einbezogen werden. Das stabilisiert unsere Renten- und Krankenversicherung gleichermaßen. 

Die Bürgerversicherung ist ein gemeinsames Versicherungssystem von privaten und gesetzlichen Krankenkassen. Im Gegensatz zum heutigen System sind alle Versicherten solidarisch an der Finanzierung beteiligt. Dafür können sich alle Versicherten unabhängig vom Einkommen die Absicherung leisten, die notwendig ist. Wie von Ihnen angesprochen möchten wir, unter der Voraussetzung, dass die Altersrückstellungen mitgenommen werden können, auch den Wechsel zwischen privaten und gesetzlichen Krankenversicherungsunternehmen bzw. Krankenkassen erleichtern. 

Mit diesem Modell beteiligen sich auch Beamtinnen, Selbständige, Unternehmerinnen und Abgeordnete mit einkommensabhängigen Beiträgen, ohne fiktive Mindesteinkommen. Außerdem wollen wir die Benachteiligung gesetzlich versicherter Beamtinnen durch einen beihilfefähigen Tarif beenden und privat Versicherte, die sich nur den Basistarif leisten können, besser absichern. Für gesetzlich Versicherte mit Beitragsschulden wollen wir die vollwertige Rückkehr in die Krankenkasse erleichtern und die Absicherung von gering verdienenden Selbständigen in der Krankenversicherung verbessern, um sie nicht durch zu hohe Beiträge finanziell zu überfordern.
Die Künstlersozialkasse (KSK) muss finanziell gestärkt, Rechtssicherheit für die Mitgliedschaft in der KSK, auch für Künstlerinnen, die nur zeitweise für Produktionen versicherungspflichtig angestellt sind, geschaffen und die freiwillige Weiterversicherung für Selbständige in der Arbeitslosenversicherung vereinfacht werden. 

Auch ich halte den Bürokratieabbau für dringend notwendig. Wie in anderen Bereichen, sehen wir GRÜNE auch in der Medizin eine große Chance in der Digitalisierung. Mit digitalen Technologien werden zum Beispiel in ländlichen Räumen neue Möglichkeiten zur schnelleren und sicheren Diagnostik eröffnet. Durch eine bessere Kommunikation und Koordination von Ärztinnen, Ärzten und anderen Gesundheitsberufen und das Teilen von Informationen können die Sektorengrenzen überwunden werden. Das macht nicht nur den Informationsaustausch effizienter, sondern schafft dem medizinischen Personal mehr Zeit sich tatsächlich ausreichend den Bedürfnissen Ihrer Patient*innen widmen zu können. Dazu hat die GRÜNE Bundestagsfraktion einen Gesetzentwurf zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege in den Bundestag eingebracht: https://dserver.bundestag.de/btd/19/294/1929407.pdf

Ich hoffe, ich konnte Ihnen damit Ihre Frage beantworten.
Mit freundlichen Grüßen
Jamila Schäfer

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