Sehr geehrter Frau Schäfer. Werden Sie und ihre Partei sich dafür einsetzen, dass für Spareinlagen innerhalb der nächsten zwei Jahre wieder Guthabenzinsen erreicht werden? SG
Sehr geehrte Fr. Schäfer.
Werden Sie und ihre Partei sich dafür einsetzen, dass dieses unsägliche Geldumherwerfen der Zentralbank ein Ende nimmt?
Werden Sie und ihre Partei sich dafür einsetzen, dass - wie in Österreich - die Banken keine Strafzinsen (Verwahrungsentgeld, überhöhte Kontoführungsgebühren, o.ä.) von den Sparern verlangen dürfen?
Haben Sie sich bereits gegen Sars-Cov2 impfen lassen?
Ist Frau Baerbock gegen Sars-Cov2 geimpft?
Mit freundlichen Grüßen
Lieber Karl. J.
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Ich kenne die Debatte um die Niedrigzinspolitik. Es gibt in Deutschland immer wieder Stimmen, die vor einer Hyperinflation warnen, die aus den stark gewachsenen Notenbankbilanzen und den Ankaufprogrammen entstehen könnte. Diese Debatte ist aber einem Fehlverständnis von Geldpolitik geschuldet. Aber aus ökonomischer Perspektive ist die Angst vor Inflation nicht gerechtfertigt. Wenn wir den Juli 2021 mit dem Juli 2019 vergleichen, dann haben wir im Schnitt pro Jahr eine Inflationsrate von 1,8 Prozent. Wir hatten sogar lange noch geringere Inflationsraten, sodass die. EZB das Inflationsziel von 2% verfehlt hat.
Dass EZB „Schuld“ sei an den niedrigen Zinsen ist gleich mehrfach falsch. Das Mandat der EZB ist primär die Preisstabilität. Ist die erfüllt soll sie die allgemeine Wirtschaftspolitik unterstützen also durchaus auch Ziele verfolgen wie Wachstum und hohe Beschäftigung. Die mittelfristige Preisstabilität ist nach der Definition der EZB gegeben bzw. bestand in den letzten Jahren eher das Risiko einer Deflation als einer zu hohen Inflation. In dieser Situation muss eine Zentralbank mit niedrigen Zinsen die Wirtschaft beleben, um damit indirekt auch wieder für steigende Löhne und Preise zu sorgen. Wenn mehr gespart wird als andererseits an kreditfinanzierten Ausgaben getätigt wird kommt es automatisch zu einer Wirtschaftskrise und sinkender Inflation. Darauf muss die EZB reagieren. Die Niedrigzinspolitik der EZB ist daher nur die Folge dieser in der internationalen Diskussion auch oft als Ersparnisschwemme bezeichneten Situation. Sie ist aber nicht die Ursache.
Das gerade in Europa zu viel gespart wurde liegt zum Einen am demographischen Wandel, aber mittelbar auch an der Politik der Bundesregierung. Zwar hat diese selbst nicht gespart aber andere Staaten in der Eurozone (Griechenland, Italien etc.) zum Sparen gezwungen. Deswegen wird eine Politik die über eine Öffnung der Schuldenbremse für Investitionen die gesamtwirtschaftliche Nachfrage wieder erhöht dazu beitragen, dass die Niedrigzinssituation auch mal wieder enden kann. Es wird für Wachstum und in der Folge höherer Inflation führen, was der EZB ermöglicht aus der aktuellen Geldpolitik auszusteigen. Deswegen betont die EZB auch selbst immer wieder, dass auch nach der Corona-Krise die Politik nicht zu früh und zu massiv sparen darf. Geschieht dies doch würde das die Zinssituation manifestieren. Die Geldpolitik müsste weiterhin die negativen Wachstumswirkungen der Fiskalpolitik so gut wie eben möglich ausgleichen.
Außerdem wird unterstellt, dass die große Mehrheit der Menschen unter den niedrigen Zinsen leide. Das ist zwar eingängig für ökonomische Laien, aber falsch: Dass die hohe Arbeitslosigkeit, die Europa nach Finanz- und Eurokrise hatte, wieder gesunken ist, lag an der Geldpolitik der EZB. Die niedrigen Zinsen haben Investitionsanreize gesetzt und zudem für einen niedrigen Außenwert des Euros gesorgt was die Exporte belebt hat (die Eurozone hat einen hohen Außenhandelsüberschuß aufgebaut).
Anders als viele meinen hat das auch in Deutschland massiv die Konjunktur belebt. Unsere Exportwirtschaft hat von der Abwertung profitiert und die gute Baukonjunktur etwa wäre ohne die niedrigen Zinsen nicht vorstellbar. Auch in Deutschland hat daher die Geldpolitik zu neuen Jobs geführt und die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer erhöht. Im Ergebnis konnten seit langem wieder spürbare Reallohnsteigerungen durchgesetzt werden. Dieser Effekt ist zwar indirekt, überwiegt für die Kleinsparer aber klar den Zinsverlust. Außerdem können wir daraus lernen, dass es unsinnig ist völlig risikolos zu sparen. Auch in früheren Zeiten war der Realzins risikoloser Anlagen oft null oder negativ wie die Bundesbank aufgezeigt hat. Wir können jetzt lernen vernünftig zu sparen also in Produktivvermögen.
Es ist eine Mähr, dass der Ausgang der Bundestagswahl eine direkte Auswirkung auf die Zinspolitik der EZB hätte, da die EZB unabhängig ist. Diese politische Unabhängigkeit wollen wir auch beibehalten.
Der Zins wird nur dann wieder steigen, wenn Investitionen gestärkt werden und die Nachfrage nach Finanzmitteln steigt. Eine Rückkehr zur verfehlten Kaputt-Spar-Politik der letzten Bundesregierungen wollen wir politisch tatsächlich verhindern, weil diese ein Beibehalten der Negativzinspolitik erzwingen und weiter Raubbau an unserer Infrastruktur bedeuten würde.
Zum Weiterlesen zu diesem Thema:
https://www.freitag.de/autoren/pep/hyperinflation-nimmt-kein-experte-ernst
https://www.ecb.europa.eu/press/key/date/2021/html/ecb.sp210913~031462fe79.de.html
Zum Impfen: Annalena Baerbock und ich sind beide doppelt geimpft.
Ich hoffe, ich konnte Ihre Frage damit beantworten.
Mit freundlichen Grüßen
Jamila Schäfer