Frage von Marcel T. •

Abstimmung am 26.09.24 zum BEG IV (Viertes Gesetz zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung von Bürokratie). Erklären Sie mir bitte, wie in aller Welt der Bundestag für dieses Gesetz stimmen konnte.

Sehr geehrte Frau Schäfer

mein Name ist Marcel T., ich bin Grünen-Mitglied im OV München-Haar. Ich wende mich an Sie auch aufgrund ihres Vorsitzes im Bundesfinanzierungsgremium mit der Bitte um Erläuterung, wie in aller Welt der Bundestag für dieses Gesetz stimmen konnte.

Mir geht es um den Teil des Gesetzes, der die Aufbewahrungsfristen für die wichtigen Beweismittel für Ermittlungen gegen Milliardengeschäfte wie Cum Cum usw. verkürzen soll. (von 10 auf 8 Jahre) Dadurch könnten mutmaßlich Kriminelle legal Buchungsbelege und Rechnungen vernichten und sich somit einer Verfolgung entziehen. (Quelle: Berichterstattung Heute Journal vom 26.09.2024 und Petition Anne Brorhilker)

Es ist doch offensichtlich, dass hier unter dem Deckmantel "Bürokratieabbau" kriminellen Kräften geholfen würde. Wie konnte es hierfür eine Mehrheit geben?

Mit der höflichen Bitte um Erklärung und ggf. Darlegung von Bemühungen, diesen Teil des Gesetzes noch im Bundesrat zu stoppen.

Grüße, Marcel T.

Portrait von Jamila Anna Schäfer
Antwort von
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Sehr geehrter Herr T., 

vielen Dank für Ihre Nachricht. Wir haben schon sehr früh im Verfahren zum Bürokratieentlastungsgesetz IV darauf aufmerksam gemacht, dass die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen ein Problem darstellt, insbesondere für die Aufklärung von Steuerbetrugsfällen wie Cum-Ex und Cum-Cum. Hierzu standen wir auch in Kontakt mit der Bürgerbewegung Finanzwende und Frau Brorhilker. Zunächst hatten wir uns aus Finanzperspektive für eine Komplettausnahme der Verkürzung der Fristen eingesetzt, wir haben es aber nicht geschafft das in der Koalition durchzusetzen. 

Belege sind wichtige Beweismittel bei schweren Steuerdelikten wie bei den Cum-Ex und Cum-Cum Aktiendeals. Eine Aufbewahrungsfrist von acht Jahren ist viel zu wenig, weil schwere Steuerstrafdelikte erst nach 15 Jahren verjähren. Obwohl die Täter*innen noch belangt werden könnten dürfen sie aber quasi Beweismittel vernichten.

Wir konnten zumindest erreichen das die Aufbewahrungsfrist nicht wie ursprünglich geplant auf 5 Jahre reduziert wurde und das die Verkürzung der Fristen bei den für die Cum-Ex/Cum-Cum-Themen entscheidenden Finanzinstitutionen erst später als ursprünglich geplant in Kraft tritt. Es besteht deswegen noch die Möglichkeit die Unterlagen in noch offenen Cum-Ex und Cum-Cum Fällen zu sichern und darauf aufbauend Ansprüche zu verfolgen. 

Der organisierte Steuerbetrug Cum-Ex hatte Hochkonjunktur, solange die Rechtslage vor dem Urteil des Bundesfinanzhofs 2014 noch unklar war. Die andere schwere Steuerhinterziehung Cum-Cum wurde in einer weiteren gerichtlichen Klärung erst 2015 als illegal eingestuft. Auch das Jahr 2015 ist nun nach wie vor mit den bestehenden Fristen prüfbar. Die entscheidenden Jahre für Cum-Ex und Cum-Cum sind nach wie vor prüfbar. Wichtig ist aus unserer Sicht, dass diese zusätzliche Zeit nun bestmöglich zur weiteren Aufklärung des größten Steuerraubs in der Geschichte der Bundesrepublik genutzt wird. Deswegen haben zahlreiche Abgeordnete der grünen Bundestagsfraktion eine persönliche Erklärung unterschrieben, in der sie das Bundesministerium der Finanzen bitten, die Ermittlungsarbeit gezielt zu unterstützen und zum nächstmöglichen Zeitpunkt von seiner Rechts- und Fachaufsicht über das Bundeszentralamt für Steuern Gebrauch zu machen, um die ihm unterstellten Bundesbetriebsprüfer und Länderfinanzbehörden anzuweisen, Finanzunternehmen im Hinblick auf Fälle schwerer Steuerhinterziehung wie Cum-Cum-Fälle für die Jahre 2014 - 2017 mit höchster Priorität zu prüfen. 

Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt, sondern in diesen Konstrukten ein krimineller Angriff auf den Rechtsstaat und das Gemeinwohl. Wir fordern eine konsequente Verfolgung dieser illegalen Machenschaften und den Ausbau spezialisierter Schwerpunktstaatsanwaltschaften, um solche Fälle effizienter zu verfolgen. Darüber hinaus müssen wir die gesetzlichen Rahmenbedingungen verschärfen, um sicherzustellen, dass bei sehr hohen Anrechnungs- und Erstattungsbeträgen von Anfang an eine genaue Prüfung erfolgt, und Ermittlungen auch ohne Anhaltspunkte für eine konkrete Straftat erfolgen können. 

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Jamila Anna Schäfer
Jamila Anna Schäfer
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN