Frage an Jakob von Weizsäcker von Jan W. bezüglich Europapolitik und Europäische Union
Hallo!
Habe soeben mit Schrecken diesen Artikel über die aktuellen Zustände in Polen gelesen:
http://www.sueddeutsche.de/politik/rechtsextremismus-jagdszenen-in-der-polnischen-provinz-1.3851235
Wie kann es sein, dass 2018 in einem europäischen Mitgliedsstaat die Menschenrechte mit Füßen getreten werden - und offenbar nichts dagegen unternommen wird? Wenn es aktuell keine Hebel gibt, um solche Verhältnisse in einem EU-Staat zu beenden bzw. zu sanktionieren, müssen sie schleunigst geschaffen werden, oder nicht? Wenn die EU nur über die Wattleistung von Staubsaugern entscheidet, ist sie moralisch bankrott.
Nun also meine konkrete Frage: Was genau gedenken Sie in diesem Fall (und ähnlichen in anderen Ländern) zu unternehmen?
Beste Grüße
J. W.
Sehr geehrter Herr W.,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Ich teile Ihre Sorge angesichts der problematischen Entwicklung in Polen. Aus diesem Grund halte ich auch das Vorgehen der Europäischen Kommission gegenüber Polen für richtig, die im Dezember 2017 erstmals Artikel 7(1), den so genannten EU-Rechtsstaatsmechanismus, zur Anwendung gebracht hat. Wenn die polnische Regierung die Bedenken nicht ausgeräumt, könnten im letzten Schritt Sanktionen, wie z.B. Stimmrechtsentzug, verhängt werden. Dies würde jedoch die Einstimmigkeit unter den restlichen Mitgliedstaaten erfordern. Die Hürde ist also sehr hoch. Deshalb unterstütze ich Überlegungen, auch jenseits des Artikel 7(1) wirksame Verfahren gegenüber Verstößen gegen die Einhaltung europäischer Werte zu entwickeln.
Die Sozialdemokratie setzt sich dafür ein, dass die Einhaltung europäischer Werte kontinuierlich in jedem Mitgliedstaat auch nach der Aufnahme in die EU anhand objektiver Kriterien überprüft wird. Gemeinsam mit anderen Fraktionen arbeiten wir deshalb an einen Pakt für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte. Dabei ist vorgesehen, jährlich anhand objektiver Kriterien einen Bericht zur Situation der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte in jedem Mitgliedstaat zu veröffentlichen, und zwar mit konkreten länderspezifischen Empfehlungen. Für Oktober 2018 hat die Europäische Kommission eine entsprechende Vorlage in Aussicht gestellt. Darüber hinaus gilt es zu prüfen, inwieweit die Vergabe von EU-Kohäsionsmitteln zukünftig an die Einhaltung von rechtsstaatlichen Grundprinzipien geknüpft werden kann.
Schließlich möchte ich darauf hinweisen, dass sich die Kritik gegen das Agieren der polnischen Regierung in bestimmten Rechtsstaatsfragen richtet, ausdrücklich nicht gegen das Land und seine Bevölkerung. Deshalb sollten uns die aktuellen Schwierigkeiten auch nicht davon abhalten, die bilateralen Beziehungen mit Polen weiter zu vertiefen, wie es auch im Koalitionsvertrag vorgeschlagen wird.
In der Hoffnung, Ihnen mit diesen Ausführungen weitergeholfen zu haben,
verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen,
Jakob Weizsäcker