Frage an Jakob von Weizsäcker von Petra A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Her von Weizsäcker,
wenn eine Zuwanderung unkontrolliert und nicht in Abstimmung mit den Menschen sondern rein aus ökonomischen oder politischen Gründen erfolgt, ist diese dann gut? Verlierer sind aus meiner Sicht unqualifizierte Zuwanderer, die mit zu großen Erwartungen und Versprechungen nach Deutschland kommen, aus ihrem gewohnten Lebensumfeld herausgerissen werden und mit der Kultur und der Gesellschaft in unserem Land nicht zurechtkommen. Aber aus meiner Sicht kann auch die hiesige Bevölkerung ein Verlierer sein, wenn eine zu hohe Zuwanderung zu Arbeitsplatzmangel und Ghettoisierung ihres Lebensumfeldes führt, der Sozialstaat belastet wird und somit der Innere Frieden gestört wird. Stimmen Sie dem zu?
Gerne sende ich Ihnen diesen Link mit:
www.fr-online.de/arbeit---soziales/armutsmigration-riexinger-greift-csu-an,1473632,25746234.html
Wie Sie anhand dieses Links sehen können, sagte Herr Riexinger u.a. folgendes:
"Wenn eine Regierungspartei gegen Ausländer hetzt, darf man sich nicht wundern, wenn braune Gewaltbanden Taten folgen lassen. Hetze hilft niemandem."
Was soll denn an dem CSU-Vorstoß "Hetze" sein? Bisher stand besagten Personen meines Wissens diese Sozialleistungen auch nicht zu, oder wie wurde das bis 2013 gehandhabt?
Bei rp-online.de steht u.a. folgende Arbeitsmarktprognose:
"Arbeitslose würden von den neu geschaffenen Arbeitsplätzen aber nur vergleichsweise wenig profitieren. Ihnen fehle es oft an der erforderlich Qualifikation. "Arbeitslose und das Angebot an offenen Stellen passen oftmals nicht zusammen", stellen die IAB-Wissenschaftler fest. Daher würden Unternehmen neue Stellen immer häufiger mit gut ausgebildeten Zuwanderern aus Süd- und Osteuropa besetzen".
Wenn man dieser Prognose glauben darf, wird es für viele Arbeitslose wohl keine neue Chance auf einen neuen Job geben.
Warum missachtet die Politik das?
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Petra Althoff
Sehr geehrte Frau Dr. Althoff,
vielen Dank für Ihre Fragen zur Migrationspolitik. Insgesamt ist Zuwanderung eine große Chance für Deutschland, aus der wir noch zu wenig machen. Das Talent derjenigen, die schon zu uns gekommen sind, nutzen wir noch zu wenig, auch aufgrund von Diskriminierung und unzureichendem Zugang zu Bildung für Kinder aus Migrantenfamilien. Und im globalen Wettbewerb um Fachkräfte könnte sich Deutschland noch besser positionieren.
Sie haben recht, dass einige potentielle Zuwanderer die Chancen, die sich ihnen in Deutschland bieten, deutlich überschätzen. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie auf das umgekehrte Problem aufmerksam machen, dass nämlich andere potentielle Zuwanderer - zum Teil mit Qualifikationen, die wir sehr gut gebrauchen könnten - die Chancen in Deutschland unterschätzen und sich eher in Richtung klassischer englischsprachiger Einwanderungsländer orientieren. Insgesamt kann man aber sagen, dass auch dank Internet Migranten zunehmend besser informiert sind.
Informationen allein reichen jedoch nicht aus. Um besonders gefragte Einwanderer für Deutschland zu gewinnen und um eine gute Integration der Einwanderer sicherzustellen, die schon da sind, benötigen wir auch eine bessere Willkommenskultur. Da ist es wenig hilfreich, wenn zu Wahlkampfzeiten Ressentiments gegen Ausländer geschürt werden und sogar die Freizügigkeit innerhalb der EU in Frage gestellt wird, regelmäßig schlicht an der Realität vorbei.
Gegen diese Panikmache empfehle ich einen Blick auf die Fakten. Eine gute Quelle ist hier das IAB (das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit), siehe z.B. folgenden Kurzbericht "Arbeitsmigration oder Armutsmigration? Zuwanderung aus Bulgarien und Rumänien":
http://doku.iab.de/kurzber/2013/kb1613.pdf
Dazu gehört auch, dass man nicht die Augen verschließt vor Problemen, die es tatsächlich gibt. So ist die Ausbeutung von Bulgaren und Rumänen auf Basis von ausländischen Werkverträgen ein offensichtliches Problem. Hierzu kann ich Ihnen die ARD-Reportage "Lohnsklaven in Deutschland" empfehlen:
https://www.youtube.com/watch?v=UyEb-_pfoJw
Ich bin sehr froh, dass dank Mindestlohn und entsprechenden Anpassungen im Arbeitnehmer-Überlassungsgesetz diese Zustände bald der Vergangenheit angehören werden und dann nicht länger den Blick verstellen können für die Freizügigkeit als große Errungenschaft innerhalb der EU, die von der Generation Erasmus - darunter sehr viele Deutsche - hunderttausenfach genutzt wird.
Mit freundlichen Grüßen,
Jakob Weizsäcker