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Isabelle Vandre
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Frage von Kevin S. •

Frage an Isabelle Vandre von Kevin S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Liebe Frau Vandre,

Sie sind auf einem Bild von einer Demonstration neben einem Transparent mit der Aufschrift "We love Volkstod" zu erkennen. Welches Volk meinen Sie damit? Und wie gedenken Sie das Ziel Ihrer Liebe zu erreichen?

Portrait von Isabelle Vandre
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr S.,

das von Ihnen angesprochene Foto wurde bereits kurz nach seiner Aufnahme vor mittlerweile 4 Jahren(!) vor allem durch die Brandenburger AfD aufgegriffen, um mich anzugreifen. Dazu habe ich damals eine Stellungnahme geschrieben, zu der ich unverändert stehe. Diese lautet wie folgt:

"Volk, Nation, Rasse"? Öhm… nö!
Auf eine Pressemitteilung der Landtagsfraktion der AfD Brandenburg zu reagieren, die sich an meiner Person abarbeitet, erachte ich prinzipiell für wenig zielführend. Da das Transparent neben dem ich vergangenen Sonntag fotografiert wurde, jedoch geradezu eine Welle der Empörung und Angst vor der vermeintlichen „Ausrottung der deutschen Volksgemeinschaft“ ausgelöst hat, hier ein paar Richtigstellungen und Anmerkungen meinerseits. Gleich vorne weg: dieser Post richtet sich an all Jene, die ein tatsächliches Interesse an meiner Interpretation des Transparentes mit der Aufschrift „We love Volkstod“ haben. Explizit richtet er sich nicht an Jene, die es zum Anlass nehmen um in Abgrenzung zu anderen Menschen ihre Rechte auf Grund einer zufälligen biologischen Abstammung einzufordern und dabei eine homogene Volksgemeinschaft konstruieren.

1.) In Nachbetrachtung des Ablaufes der Veranstaltung des Bündnis „Kein Ort für Nazis in Frankfurt/ Oder“ in Reaktion auf den Aufmarsch von „Frankfurt/ Oder wehrt sich“ möchte ich Folgendes feststellen: weder habe ich diese Gegenkundgebung angemeldet, noch etwas mit ihrem inhaltlichen Ablauf zu tun gehabt, noch das Transparent aufgehangen oder gar die Veranstaltung „gesteuert“. Allein die Annahme, dass linke, antirassistische Kundgebungen der „Steuerung“ von Einzelpersonen bedürfen ist absolut widersinnig. Wenn die zentrale „Steuerung“ von zivilgesellschaftlichen Protesten oder Artikulationen Teil des Politikverständnisses der AfD ist, lässt das tief blicken, meinem entspricht dies mitnichten. By the way: auch das Motto der Kundgebung war zu keinem Zeitpunkt „We love Volkstod“.

2.) Dennoch möchte ich festhalten: wenn Herr Gauland von mir verlangt, ich solle zurücktreten auf Grund eines Transparentes, an dem ich auf einer Demonstration vorbei gegangen bin, dann sollte er diesen Maßstab auch mal endlich bei sich selbst anwenden. Seit Monaten behauptet er, er sei nicht dafür verantwortlich wenn neonazistische Parolen auf den von ihm besuchten Demonstrationen skandiert werden. Als Beispiel sei hier nur der erste Besuch der Brandenburgischen AfD Landtagsfraktion bei Pegida in Dresden zu nennen. Ich reflektiere auf welche Veranstaltungen ich gehe und sage ganz klar: Ja, ich protestiere wenn es sein muss jeden Tag aufs Neue gegen Mensch, die bewusst Stimmung machen gegen Geflüchtete und gegen Demonstrationen, die von organisierten rechten Strukturen mitorganisiert und/ oder beworben wurden. Und ja, eine überspitzte Auseinandersetzung mit der Panikmache vor einem vermeintlichen Volkstod durch „Überfremdung“ erachte ich als legitim.

3.) Historisch betrachtet wurde "Volk" immer als eine homogene Gemeinschaft gesehen, die sich von anderen klar abgrenzt. Im Nationalsozialismus ("Ein Volk, ein Reich, ein Führer" u.a. auf NSDAP Wahlplakaten) wurde der Begriff biologistisch geprägt. D.h. es wurde allein auf Grund von Abstammung definiert, wer zu dieser Gemeinschaft gehört, ausgeschlossen wurden dabei Menschen aus anderen Ländern, Menschen mit geistiger Behinderung, Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma etc. Wenn heute die Debatte über die Unterbringung von Flüchtlingen damit verbunden wird, dass Menschen "Wir sind das Volk" rufen und vor dem Untergang des deutschen Volkes auf Grund von in Deutschland ankommenden Flüchtlingen warnen, finde ich das mehr als bedenklich, denn es erweckt den Eindruck der Konstruktion einer abgeschlossenen Gemeinschaft. Der Slogan "WE love Volkstod" bedeutet für mich daher eine Abkehr von eben diesem Drohszenario. Ich wünsche mir, dass statt mit "Volkstod" zu drohen alle Menschen, die hier leben - egal ob hier geboren oder hier auf Grund von Flucht angekommen - die Möglichkeit erhalten gleichberechtigt Teil dieser Gesellschaft zu werden. „We love Volkstod“ ist demnach mitnichten eine Forderung nach Ermordung aller in Deutschland lebenden.

4.) Und wenn wir schon einmal dabei sind die Etymologie des Volksbegriffes zu betrachten, möchte ich gleich auch noch die Gelegenheit nutzen um auf die Wortwahl Alexander Gaulands hinzuweisen. Der Herr, der derzeit die Forderung nach einem Schießbefehl an den europäischen Außengrenzen unterstützt, ergänzt die kollektive Volksbeschwörung nämlich noch um einen weiteren eindeutig aus der Ideologie des NS hervorgegangenen Begriff: jenen der „Umvolkung“. „Umvolkung stand als Synonym für die Germanisierung deutschfreundlicher Bevölkerungsgruppen in den eroberten Gebieten und die Zuweisung von bestimmten Völkern in ihnen angemessene Siedlungsräume“ (Fahlbusch, Michael: Für Volk, Führer und Reich! Volkstumsforschung und Volkstumspolitik 1931 – 1945, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/BEITRAG/essays/fami0500.htm#_edn19 , zuletzt zugegriffen am 05.11.2015). Dem ist wohl nichts mehr hinzuzufügen...