Frage an Ingrid Fischbach von Sabine B. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Fischbach,
in Bergisch-Gladbach sind Contergangeschädigte und die Mutter eines Geschädigten am 18.09.2008 in einen Hungerstreik getreten, um für die dringend nötige finanzielle Sicherung ihres Bedarfs zu kämpfen.
Seit Beginn des Streiks warten diese Menschen darauf, dass sowohl die Verursacherfirma Grünenthal, als auch die Bundesregierung sich endlich Ihrer Verantwortung stellen und das Gespräch mit den Contergangeschädigten und der ICTA, als deren ausgesuchte Vertreterorganisation, suchen.
Unter www.conterganhungerstreik.de können Sie die Forderungen und weitergehende Informationen nachlesen.
Es darf nicht sein, dass ein Unternehmen die Menschen, die der Profitgier dieses Unternehmens wegen, schwerst geschädigt geboren wurden, weil deren Mütter dessen, wie sich herausstellte, unwahren Werbeslogans zu Contergan glaubten, heute, mit dem Hinweis auf einen „mit Geld nicht wieder gut zu machenden Schaden“ mit ihren Schmerzen und Zukunftsängsten allein und nicht selbstbestimmt weiterleben lässt und in die Altersarmut schickt!
Unsere Regierung hat kein Problem damit, Misswirtschaft von Banken finanziell zu stützen, was letztendlich mit unseren Steuergeldern passiert, ohne dass der Steuerzahler mitbestimmen dürfte.
Nun appelliere ich, dass im Falle der Contergangeschädigten unsere Steuergelder durch die „Inpflichtnahme“ des Verursachers geschont werden, und bitte dafür um Ihre Unterstützung in der Regierung, um die Fa. Grünenthal in die Pflicht zu nehmen.
Obwohl, oder gerade weil, mein Bruder (Jahrgang 1962) und ich (Jahrgang 1963) es ausschließlich dem Glück zu verdanken haben, dass unsere Mutter Contergan nicht nahm, und wir deshalb nur zufällig nicht zu den Opfern von Grünenthal gehören, empfinde ich das, was den Conterganopfern widerfährt, als himmelschreiende Ungerechtigkeit, gegen die Sie gefordert sind, etwas zu unternehmen!
Mit freundlichen Grüßen
Sabine Bentler
Sehr geehrte Frau Bentler,
vielen Dank für Ihren Beitrag auf Abgeordnetenwatch.de, in dem Sie sich für eine „Inpflichtnahme“ der Firma Grünenthal bei der Entschädigung der Contergan-Geschädigten aussprechen.
Ich hatte in der letzten Woche ein Treffen mit dem ersten Vorsitzenden des Interessenverbandes Nordrhein-Westfalen e.V., Herrn Udo Herterich, um mich aus erster Hand über die aktuelle Entwicklung zu informieren. Mir ist bewusst, mit welchen Schwierigkeiten die Contergangeschädigten zu kämpfen haben. Die heute rund 50-jährigen Contergan-Opfer leiden unter Spätfolgen ihrer Schädigung. Infolge jahrelanger Fehlbelastungen von Wirbelsäule und Gelenken treten Schmerzzustände und auch psychische Belastungen ein. Angesichts des Umfangs der Beeinträchtigungen, die weder durch Leistungen der Conterganstiftung noch der Sozialgesetze ausreichend abgefangen werden können (z.B. Haushaltshilfen, vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben, Renteneinbußen), ist die Verdoppelung der monatlichen Renten, die zum 1. Juli 2008 in Kraft getreten ist, mehr als überfällig gewesen.
Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass eine Inanspruchnahme der Herstellerfirma aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen ist. Im Dezember 1971 setzte die Bundesregierung mit der Errichtung der Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder“ eine abschließende Regelung der finanziellen Aufarbeitung der Contergan-Katastrophe. Die Stiftung wurde per Gesetz als öffentlich-rechtliche Stiftung errichtet und mit einem Stiftungskapital der Fa. Chemie Grünenthal GmbH in Höhe von 100 Millionen DM plus Zinsen sowie 100 Millionen DM aus Bundesmitteln ausgestattet. Rechtlich ist mit diesem Vergleich und der Stiftung jeder weitere Anspruch gegenüber der Firma Grünenthal ausgeschlossen.
Da die finanziellen Mittel der Gründungsstiftung nicht ausreichten, wurden die Bundesmittel 1976 um 50 Millionen und 1980 um weitere 170 Millionen DM aufgestockt. Seit 1997 sind diese Gelder aufgebraucht, die Gelder für die monatlichen Renten an contergangeschädigte Menschen fließen in voller Höhe aus dem Bundeshaushalt: 2007 waren dies 15,066 Millionen Euro. Die Firma Grünenthal hat sich bereiterklärt, eine Einmalzahlung von 50 Millionen Euro in die Conterganstiftung zu leisten. Ich möchte Ihnen versichern, dass den Opfern dieser Situation meine uneingeschränkte Solidarität gilt, gleichzeitig sind uns durch den juristischen Abschluss des Falles die Hände gebunden, weitere Schadensersatzforderungen gegen den Konzern geltend zu machen.
Mit freundlichen Grüßen
Ingrid Fischbach, MdB