Frage an Ingrid Fischbach von Sina B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Mein Enkelin hat mir den Original-ESM-Vertrag zu lesen gegeben:
Aus ARTIKEL 9 des Vertrages
(3) Die ESM-Mitglieder (also auch Deutschland) verpflichten sich unwiderruflich (!) und uneingeschränkt (!), Kapital, das der Geschäftsführende Direktor gemäß diesem Absatz von ihnen abruft, innerhalb von sieben Tagen ab Erhalt der Aufforderung einzuzahlen.
Aus ARTIKEL 10 des Vertrages
Er (der Gouverneursrat ESM) kann beschließen, das genehmigte Stammkapital zu verändern (!)
(Und da der Vertrag unwiderruflich und uneingeschränkt gilt und nicht gekündigt werden kann, muss bezahlt werden. Egal wie viel, egal wie oft!)
Aus ARTIKEL 32 des Vertrages / Rechtsstatus, Vorrechte und Befreiungen
(2) Der ESM besitzt volle Rechtspersönlichkeit; er besitzt die uneingeschränkte Rechts- und Geschäftsfähigkeit, b) Verträge abzuschließen, c) Partei in Gerichtsverfahren zu sein […] um sicherzustellen, dass sein Rechtsstatus und seine Vorrechte und Befreiungen anerkannt und durchgesetzt (!) werden.
(Der ESM kann also klagen, aber nicht verklagt werden! Selbst dann nicht, wenn er sich gesetzwidrig verhält)
Bitte selbst nachlesen: ARTIKEL 32 des Vertrages (3)
Bitte selbst nachlesen: ARTIKEL 32 des Vertrages (4)
Bitte selbst nachlesen: ARTIKEL 32 des Vertrages (5)
Aus ARTIKEL 35 des Vertrages / Persönliche Immunitäten
(1) Im Interesse des ESM genießen der Vorsitzende des Gouverneursrats, die Mitglieder des Gouverneursrats [es folgt eine Aufzählung der Personen] des ESM Immunität von der Gerichtsbarkeit (!) hinsichtlich ihrer in amtlicher Eigenschaft vorgenommenen Handlungen und Unverletzlichkeit hinsichtlich ihrer amtlichen Schriftstücke und Unterlagen.
(Letztendlich kann der ESM machen, was er will, ein gerichtlicher Zugriff ist nicht möglich und der ESM wird jeder administrativen oder gesetzgeberischen Maßnahme entzogen)
Wieso stimmen Sie, Frau Fischbach, für einen Vertrag, der nicht kündbar ist und sich jeder Kontrolle und Gerichtsbarkeit entzieht?
Sehr geehrte Frau Berg,
vielen Dank für Ihre Email auf abgeordnetenwatch.de, in der Sie Stellung zur Verabschiedung des ESM-Vertrages nehmen. Ich bin überzeugt davon, dass Entscheidungen des ESM durchaus der Kontrolle einzelner Staaten unterliegen.
Alle wesentlichen Entscheidungen, die der ESM treffen kann, einschließlich der Gewährung von Finanzhilfen oder Änderungen am gezeichneten Kapital, müssen einstimmig durch den Gouverneursrat des ESM getroffen werden. Deutschland verfügt über seinen Vertreter im Gouverneursrat dabei bei allen wichtigen Entscheidungen des ESM über ein Vetorecht. Mit dem ESM-Finanzierungsgesetz wurde dieses Vetorecht dem Deutschen Bundestag übertragen, indem dem Abstimmungsverhalten des deutschen Vertreters im Gouverneursrat ein umfangreicher Parlamentsvorbehalt vorgeschaltet wurde. Hat der Vertreter kein Votum des Bundestages, so muss er mit Nein stimmen. Die Entscheidung liegt also beim Deutschen Bundestag, dem Parlament.
Aufgrund der im Gesetzgebungsverfahren bewusst verankerten Regelung muss das Plenum des Deutschen Bundestages immer dann vorher zustimmen, wenn der ESM ein neues finanzielles Risiko eingeht. Das ist insbesondere bei Entscheidungen über neue Hilfsprogramme der Fall oder auch bei finanzwirksamen Änderungen von bestehenden Programmen. Der Haushaltsausschuss begleitet die Umsetzung der Programme. Seine Zustimmung ist z. B. dann notwendig, wenn die Bedingungen von Hilfsprogrammen geändert werden sollen, auch wenn das Volumen des Hilfspaketes unverändert bleibt. Zudem ist er vor Auszahlungen einzelner Tranchen bereits genehmigter Programme zu beteiligen. Das sog. 9er-Gremium kommt nur zum Einsatz, wenn im Rahmen eines Hilfsprogramms Anleihekäufe auf dem Sekundärmarkt vorgesehen sein sollten. Diesen Einsatz hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich erlaubt.
Es ist auch für die Zukunft nicht ausgeschlossen, dass in Schwierigkeiten geratene Euro-Länder von ihren Partnern für einen begrenzten Zeitraum unterstützt werden müssen. Der ESM bietet diese temporäre Krisenhilfe unter strikten Auflagen, solidarische Hilfen durch ihn werden nur solchen Staaten gewährt, die den Fiskalvertrag unterschrieben und eine nationale Schuldenbremse eingeführt haben.
Ich bin daher davon überzeugt, dass es nur mit einem entsprechenden vorhergehenden Votum des Deutschen Bundestages möglich ist, grundlegende Veränderungen im Zuge des ESM herbeizuführen. Vielmehr trägt der ESM-Vertrag im Zusammenspiel mit dem Fiskalpakt dazu bei, Schuldengrenzen und Haushaltsdisziplin in ganz Europa festzuschreiben – dieses Ziel unterstütze ich.
Mit freundlichen Grüßen
Ingrid Fischbach, MdB