Frage an Ingo Schmitt von Niels B. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Schmitt,
der Gesetzgeber wurde vom Bundesverfassungsgericht verpflichtet, die Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen neu zu regeln.
Im Kern geht es darum, unterschiedliche Arten von Vermögen (Barvermögen, Betriebsvermögen, Grundvermögen) für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer gleich zu bewerten.
Die derzeit bekannt gewordenen Pläne zur Reform werden die Ungleichbehandlung und Diskriminierung von eingetragenen Lebenspartnerschaften gegenüber der Ehe zementieren und sogar vertiefen.
Während Ehegatten derzeit ein Freibetrag von 307.000 Euro gewährt wird, beträgt dieser bei Partnern einer eingetragenen Lebenspartnerschaft nur 5.100 Euro. Diese Dikrepanz soll sogar noch vergrößert werden.
Dabei haben die Partner einer eingetragenen Lebenspartnschaft die gleichen Pflichten wie die Ehegatten. Durch diese Pflichten wird auch der Staat entlastet, da die Partner erst füreinander einstehen müssen, bevor sie staatliche Leistungen in Anspruch nehmen können.
Diese Regelung führt vielfach dazu, dass zwei Menschen, die ein Lebenlang füreinander gesorgt und Verantwortung übernommen haben, geimeinschaftlich erworbenes Eigentum unter Umständen verkaufen müssen, nur um den staatlichen Anspruch auf Erbschaftsteuer zu befriedigen.
Das "Heiligtum Familienheim", dass bei einer Reform der Erbschaftsteuer ausdrücklich verschont werden soll, ist in Fällen der eingetragenen Lebenspartnerschaft in besonderem Maße gefährdet.
Halten Sie diese unterschiedliche Behandlung für gerechtfertigt ?
Wenn ja: warum ?
Wenn nein: was unternehmen Sie, um die unterschiedliche Behandlung zu unterbinden.
Mit freundlichen Grüßen
Niels Berkholz
Sehr geehrter Herr Berkholz,
vielen Dank für Ihre E-Mail-Anfrage vom 26. August 2007, in der Sie Ihre Kritik zur bevorstehenden Reform des Erbschaftssteuergesetzes geäußert haben. Gern möchte ich Ihrem Anliegen mit einer Stellungnahme nachkommen:
Zunächst möchte ich zum Ausdruck bringen, dass ich vor allen Menschen, die sich dazu entscheiden, füreinander einzustehen und ihren Lebensweg gemeinsam zu gestalten, große Achtung habe, zumal damit – wie Sie bereits angemerkt haben - eine Entlastung der Gemeinschaft einhergeht, z.B. wenn keine Sozialleistungen gewährt werden müssen.
Das Lebenspartnerschaftsgesetz trat am 1. August 2001 in Kraft. Es stellt gleichgeschlechtliche Paare, die eine Lebensgemeinschaft eingegangen sind, in vielen wichtigen Punkten der Ehe gleich. Durch das Inkrafttreten des Gesetzes über die eingetragene Lebenspartnerschaft ist in Deutschland ein rechtlicher Rahmen für gleichgeschlechtliche Beziehungen geschaffen worden. Auf Wunsch kann ein gemeinsamer Familienname bestimmt werden. Im Sozialrecht - dazu zählen unter anderem die gesetzliche Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung - sowie im Ausländerrecht werden Lebenspartner genauso behandelt wie Eheleute. Bei einer Trennung kann ein Partner vom anderen entsprechend der vorherrschenden Erwerbs- und Vermögenslage angemessenen Unterhalt verlangen. Auch beim Erbrecht bestehen keine Unterschiede mehr.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 17. Juli 2002 über die Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsgesetzes zwar die eingetragene Lebenspartnerschaft als zulässig neben der Institution der Ehe anerkannt; ausdrücklich wird jedoch darauf verwiesen, dass eine eingetragene Lebenspartnerschaft keine Ehe ist, sondern ein Aliud. Dieser Begriff bedeutet „ein anderes“. Es ist also nicht das Gleiche.
Das Ziel der Union ist es, die Familie als wichtigste Form des Zusammenlebens zu stärken. Die Privilegierung der Ehe gegenüber der nichtehelichen Lebensgemeinschaft folgt aus den Vorgaben unseres Grundgesetzes, wonach Ehe und Familie unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung stehen (Art. 6 Abs. 1 GG). Der sachliche Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die "auf Dauer angelegte, in der rechtlich vorgesehenen Form geschlossene, grundsätzlich unauflösliche Lebensgemeinschaft von Mann und Frau." Das deutsche Steuerrecht sieht deshalb keine besondere Begünstigung der Lebenspartnerschaft vor. Daher ist auch bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer die Lebenspartnerschaft im Gegensatz zur Ehe nicht privilegiert.
Der Bundesfinanzhof hat in einer aktuellen Entscheidung vom 20.06.2007 beschlossen, dass es das Grundgesetz nicht gebietet, eingetragene Lebenspartner erbschaftssteuerrechtlich in dieselbe Steuerklasse einzuordnen und ihnen dieselben Freibeträge wie Ehegatten zu gewähren. Die geltende Rechtslage wurde daher für verfassungsgemäß gehalten. Die bestehende Bevorzugung der Ehe ist laut Urteil rechtmäßig und verstößt nicht gegen des Gleichheitsgebot des Grundgesetzes. Vor dem Grundgesetz besteht also formal keine Diskriminierung. Persönlich kann ich aber nachvollziehen, dass die geltende Regelung als ungerecht empfunden wird.
Bei der Frage, ob die aktuell anstehende – mit Blick auf Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Neuregelung der Vermögensbewertung zwingend notwendige – Reform des Erbschaftsteuerrechts genutzt werden soll, auch die eingetragene Lebenspartnerschaft bei der Erbschaftsteuer der Ehe gleich zu stellen, muss zunächst untersucht werden, ob dies rechtlich möglich ist, und falls dies bejaht werden kann, inwieweit dies politisch gewollt sein kann.
Es stellt sich dabei nämlich die Frage, ob die berechtigte Förderung und Privilegierung der Ehe noch deutlich genug zum Ausdruck kommt, wenn man die Begünstigungen auch anderen Lebensverbindungen zu Teil werden lässt und eine vollkommene Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft anstrebt.
Wir werden diese wichtigen – nicht nur steuerrechtlichen, sondern auch gesellschaftspolitischen – Fragen sicher in den kommenden Beratungen zur Erbschaftssteuerreform erneut intensiv diskutieren und dann auch zu einer abschließenden Bewertung der Frage kommen.
Ich hoffe, dass ich Ihrem Anliegen mit den obigen Ausführungen hinreichend gerecht werden konnte und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Ingo Schmitt