Frage an Ingo Egloff von Holger D. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Egloff,
als Hamburger weiß ich: Wenn Krümmel oder Brockdorf durchgehen, ist Hamburg Geschichte, und meine Familie und ich sind ein bedauerlicher „Kollateralschaden“. Und solch ein Ereignis kann jederzeit geschehen, das zeigen die Ereignisse in Japan deutlich. Wer jetzt noch behauptet, so etwas könne in Deutschland nicht passieren, oder dies als „sozialadäquates Restrisiko“ kleinzureden versucht, ist entweder irre oder ein Verbrecher. Darum frage ich Sie, warum Sie und Ihre Partei nicht das sofortige Abschalten aller und nicht nur der älteren Atomreaktoren in Deutschland fordern. Dies muss nicht einmal juristisch durchgesetzt werden. Als Hebel würden Gesetze wie die gesetzliche Forderung nach Rücklagen, die einem möglichen Schaden angemessen sind, ausreichen. Und selbst die obersten Gerichte werden nach der Katastrophe in Japan die Lage anders sehen als in den 70er Jahren. Warum also diese Halbheiten?
Ich habe diese Frage auch an andere Abgeordnete der Opposition aus Hamburg gestellt.
Mit freundlichem Gruß
Holger Dierks
Sehr geehrter Herr Dierks,
herzlichen Dank für Ihre Nachricht. Dem Kern Ihrer Frage kann ich nur zustimmen, eine Abschaltung der Kernkraftwerke in Deutschland sollte so schnell wie irgend möglich erfolgen - wenn es die Stromversorgung aus anderen Energiequellen erlaubt, auch gern sofort. Sie wissen, dass die SPD-Bundestagsfraktion sich seit vielen Jahren genau dafür einsetzt. Nebenbei bemerkt, ich teile natürlich Ihre Befürchtungen bezüglich der Kernkraftwerke in der unmittelbaren Umgebung Hamburgs, aber mehr Sorgen macht mir persönlich Brunsbüttel, schon weil der dortige Reaktor viel älter als Krümmel und Brokdorf ist.
Interessant ist ein Teilaspekt Ihrer Frage, der sich auf das Haftungsrisiko bezieht. Die "Haftpflichtversicherung" der deutschen Kernenergiewirtschaft besteht in Gestalt einer gemeinsamen Deckungsvorsorge der Kraftwerksbetreiber, die sich auf bis zu 2,5 Milliarden Euro je Schadensfall verpflichtet haben - über diese Summe hinaus haftet das einzelne Betreiberunternehmen mit seinem eigenen Vermögen. Bei den Schadenssummen, die bei einem mit Tschernobyl oder Fukushima vergleichbaren Störfall zu erwarten sind, dürfte dies allerdings rasch aufgebraucht sein. Kosten dieser Art müssten wohl zwangsläufig jedes Stromunternehmen in die Insolvenz treiben - und der Steuerzahler trägt die restliche Schadenslast.
Atomstrom ist angeblich billiger, aber nur, solange man keine solide volkswirtschaftliche Gesamtkostenrechnung aufstellt. Geglaubt hat das ohnehin kaum jemand. Man könnte die neuerdings wieder in Landeseigentum befindliche EnBW ja mal fragen, warum sie trotz eines Rekordanteils von 55 Prozent an Elektrizität aus Kernkraftwerken den Strom in
Baden-Württemberg eigentlich nicht billiger anbietet, als es die Kollegen von Vattenfall, e.on oder RWE in anderen Bundesländern tun?
Mit freundlichen Grüßen
Ingo Egloff