Frage an Ina Korter von Monika V. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrte Frau Korter,
mich ärgert schon lange folgendes: die Existenz der so sehr gelobten "Lesestübchen" bzw. "Mathestübchen". Zweifelsohne wird in diesen Einrichtungen, sehr oft ehrenamtlich, sehr gute Arbeit geleistet. Hier lernen Kinder, die in der Schule Schwierigkeiten damit haben, lesen und schreiben oder rechnen. Warum muss dieser Ergänzungsunterricht am Nachmittag stattfinden? Warum müssen die Eltern manchmal dafür noch zahlen. Es ist ja offensichtlich, dass die Kinder durchaus in der Lage sind lesen und schreiben zu lernen, nur eben mit Unterstützung und meines Wissens nach einem anderen System als es in der Schule gelehrt wird. Haben nicht diese Kinder auch ein Recht darauf, es in der Schule zu lernen? Müssen diese Grundschulkinder oft 2-3 Nachmittage opfern um das zu lernen wozu eigentlich die Schule verpflichtet ist, es ihnen beizubringen? Für unsere Kinder besteht, wie ja allgemein bekannt, immerhin eine (die) Schulpflicht, sie dürfen sich ja nicht an anderen Orten unterrichten lassen. Warum wird dieser Sonderunterricht in der Grundschule nicht angeboten, z.B. während der Betreuungszeit. Die speziell ausgebildeten Lehrkräfte wären ja vorhanden.
Freundliche Grüße
Monika Vey
Sehr geehrte Frau Vey,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 13. Juli 2011.
Ich stimme mit Ihnen überein, wenn Sie voraussetzen, dass die Grundschule den Kindern die grundlegenden Fähigkeiten in den Bereichen Lesen, Rechnen und Schreiben vermitteln sollte, um Ihnen damit die Voraussetzungen für den Besuch von weiterführenden Schulen und für weiteres Lernen und Entdecken mitzugeben.
Aber nicht nur die Schule, sondern auch das soziale Umfeld kann und sollte förderlich auf Grundschulkinder und Heranwachsende einwirken (kooperatives Miteinander, Lesebegeisterung wecken etc.) Gerade im Vorschulbereich werden die Weichen für einen erfolgreichen Schuleintritt gestellt.
Eigentlich sollte in der Grundschule die Möglichkeit vorhanden sein, auf die verschiedenen Lernvoraussetzungen aller Kinder einzugehen und auch die Kinder qualifiziert zu unterstützen, die einen besonderen Förderbedarf haben oder langsamer oder anders lernen als das Gros. Dazu muss aber die Landesregierung zunächst einmal dies auch wollen (Inklusion!!) und sie muss die Schulen angemessen mit Fachpersonal ausstatten.
Das ist leider noch nicht gegeben. In Fragen der Inklusion tut die Landesregierung fast nichts, die Ganztagsgrundschulen müssen als Billigmodell mit Kooperationspartnern arbeiten, die vielleicht Freude an einer Sportart oder gesunde Ernährung erfolgreich vermitteln können, aber in der Regel keine Fachkräfte für die Förderung von Kindern mit besonderen Bedarfen sind.
Deshalb bleibt den Eltern oft nichts anderes übrig, als Nachhilfeunterricht oder Hausaufgabenunterstützung für ihre Kinder zu organisieren, sofern sie das Lernen ihrer Kinder nicht selbst gut unterstützen können. Damit ist die häusliche Förderung vom Bildungsstand der Eltern und von deren finanzieller Situation abhängig. Eine gut ausgestattete Ganztagsschule für alle Kinder (gebundene Ganztagschule) kann solche Unterschiede ausgleichen und alle Kinder so fördern, wie sie es brauchen.
Auch um der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gerecht zu werden, ist eine qualifizierte Nachmittagsbetreuung und -förderung bereits im Kindesalter durch den Staat sicherzustellen.
Ein qualifizierter Nachmittagsunterricht - so wie er in Ganztagsschulen stattfinden sollte - ist daher auch für Grundschulen ein gutes Modell, damit Eltern - die sich für das Erwerbsleben mit Kind entschieden haben - unterstützt werden.
Sofern es sich bei den von Ihnen angesprochenen "Lese- und Mathestübchen" um ein besonderes Modell handelt, muss ich Ihnen sagen, dass mir dieses Konzept bisher nicht bekannt ist.
Mit freundlichen Grüßen
Ina Korter