Wie ist Ihr Standpunkt zu der sehr starken Szene der Coronaleugnern, Verschwörungstheoretikern oder vermeintlichen "Fußgängern" in Schaumburg?
Die "Querdenker Szene" ist in Schaumburg sehr aktiv. Mehrmals wöchentlich treffen diese sich in großen Gruppen und „gehen spazieren“. Dabei werden Russland Fahnen geschwungen und teils meiner Meinung nach sehr weit hergeholte Plakate hochgehalten. Unter anderem habe ich die letzten Wochen gesehen, dass wir angeblich in einer Diktatur leben sollen oder es wird gefordert alle führenden deutschen Politiker vor Kriegsgerichte zu stellen.
Laut dem aktuellen Verfassungsschutz Bericht betreiben sie außerdem eine „demokratiefeindliche und/oder sicherheitsgefährdende Delegitimierung des Staates“. Wieso werden diese Demos dann überhaupt zugelassen?
Mit großer Sorge betrachte ich die schon seit Dezember die anhaltenden zum Teil unangemeldeten Demonstrationen in unserem Landkreis Schaumburg und auch bundesweit, die sich als angebliche „Montagsspaziergänge“ gegen die Corona-Schutzmaßnahmen tarnen und jetzt kombiniert sind, mit pro-aktiven Russland Sprüchen fortsetzen. Vielerorts nehmen rechte Akteure von AfD bis Neonazi-Kameradschaften an den sich heterogen zusammensetzenden Protesten teil. Dazu beziehe ich Stellung und setze mich für umsichtiges und solidarisches Handeln in der Coronakrise wie für die Ukraine ein, die durch Angriffskrieg Russlands in die Situation versetzt wurde, sich zu verteidigen zu müssen.
Über 120 Schaumburger*innen sind in den letzten zwei Jahren an oder mit einer Corona-Infektion verstorben - bundesweit sind es über 117.000 Menschen. Was diese Zahlen nicht abbilden können, sind die Lücken, die diese Verluste hinterlassen – für ihre trauernden Angehörigen, Freund*innen und Kolleg*innen.
Für mich ist es unerträglich, wenn rechtsextreme, antisemitische und/oder verschwörungsideologische Parolen, verherrlichende Posts zu Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine verbreitet werden. Auf den Social-Media-Kanälen werden beispielsweise Grafiken verbreitet, auf denen sich neben durchgestrichenen Masken und Impfspritzen auch ein stilisiertes Virus in Form eines Hakenkreuzes findet. Diese NS-Analogie ist an Zynismus kaum zu überbieten, nehmen doch vielerorts auch bekannte Rechtsextreme zumeist unwidersprochen an den Protesten gegen die Corona-Schutzmaßnahmen teil. Es ist eine Mischszene aus Verschwörungsgläubigen, Rechtsextremen, Reichsbürger*innen, Esoteriker*innen, Russlandbefürworter im Krieg gegen die Ukraine, aber eben auch ganz normalen Bürger*innen, die protestieren.
Ich stehe für eine demokratische Gesellschaft. Hierzu gehört das allgemeine Recht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit - auch und gerade in gesellschaftlichen Krisenzeiten. Dieses gilt für alle angemeldeten Demonstrationen.
Wer jedoch gezielt versucht das Versammlungsrecht und Corona-Schutzmaßnahmen zu unterlaufen, wer der Präsenz und dem Wirken von Rechtsextremen auf den eigenen Demonstrationen nicht widerspricht, der verlässt das Fundament demokratischen Protests.