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Frage von Jürgen W. •

Frage an Ilse Falk von Jürgen W. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Falk!

Als eines der Mitglieder im Ausschuss "Familie, Senioren, Frauen und Jugend", der gegenwärtig über Verbesserungen der Situation contergangeschädigter Menschen berät, werden Sie in der jüngsten Ausgabe des "Spiegel" zitiert mit den Worten : "Wir können nicht mehr Geld geben". Dabei verweisen Sie auf die "erst im Juli auf maximal € 1090 verdoppelte Contergan-Rente".
Dieser "Verdopplung" gingen jedoch Jahre bzw. Jahrzehnte voraus, in denen die sporadischen Rentenanpassungen von teilweise lediglich 5% nach 5 Jahren die eingetretenen Kaufkraftverluste nicht ansatzweise auffingen.
Die Bedeutung des Wortes "Verdopplung" relativiert sich daher insofern, als damit lediglich das Kaufkraftniveau wiederhergestellt wurde, das die Rente in früheren Jahren einmal hatte.
Wie Sie wissen, sind die monatlichen Entschädigungszahlungen in Grossbritannien, Schweden und nun auch Italien mit Maximalbeträgen von € 3900 noch immer um ein Vielfaches höher als im Ursprungsland der Katastrophe.

Meine Frage an Sie :

Aus welchem Grund sollen Contergangeschädigte in Deutschland gegenüber Opfern aus anderen Ländern benachteiligt sein und nur einen Bruchteil der dort üblichen Entschädigungszahlungen erhalten?

Ihrer Antwort mit Interesse entgegensehend verbleibe ich
mit freundlichen Grüssen
Ihr

Jürgen Wilmes

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Wilmes,

vielen Dank für Ihre Mail. Wir im Deutschen Bundestag begegnen der Lebensleistung der contergangeschädigten Menschen mit hoher Anerkennung und größtem Respekt. Sie haben sich in bewundernswerter Weise Ihren Platz in Familie und Beruf erkämpft und Ihre Selbständigkeit mit großem eigenen Engagement und Selbstbewusstsein erstritten. Jetzt, 50 Jahre nach dem Conterganskandal, stoßen Sie an schmerzliche Grenzen. Die jahrzentelange Fehlbelastung von Wirbelsäule, Gelenken, Muskulatur und Zähnen bringen Spätfolgen mit sich, die so nicht vorhersehbar waren. Ihre Lebenssituation ist zunehmend durch diese sehr schmerzhaften Auswirkungen Ihrer Behinderung geprägt, Ihre Lebenssituation zusätzlich erheblich eingeschränkt.

Um die Folgeschäden abmildern zu können, hat der Deutsche Bundestag -- auf Initiative der beiden Geschäftsführenden Vorstände von Unions- und SPD-Bundestagsfraktion -- die Entschädigungsleistungen für Contergangeschädigte ab dem 1.7.2008 verdoppelt, das heißt der Höchstsatz von 545 Euro wurde auf 1090 Euro angehoben. (Im Gesetzentwurf der Bundesregierung war lediglich eine Erhöhung um 5% vorgesehen.)

Obwohl durch den 1971 zwischen den Eltern der Contergangeschädigten, der Firma Grünenthal und der Bundesregierung geschlossenen Vergleich (Einrichtung einer öffentlich-rechtlichen Stiftung mit Stifterkapital der Firma Grünenthal [100 Mio. DM zuzüglich Zinsen] und des Bundeshaushalts [100 Mio. DM]) jeder weitere Anspruch gegenüber der Firma Grünenthal ausgeschlossen war, sind die Eigentümer bereit, sich an weiteren Verbesserungen für die Situation der contergangeschädigten Menschen zu beteiligen.

Daher wurden gemeinsam von Vertretern der Unionsfraktion, Vertretern der SPD-Bundestagsfraktion, des Bundesfamilienministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, der Firma Grünenthal und Vertretern des Bundesverbands der Contergangeschädigten weitere Fortschritte angestoßen: Die Firma Grünenthal hat sich bereit erklärt, 50 Mio. Euro in einen Fonds einzuzahlen; mit einer Gesetzesänderung will der Bund aus Mitteln der Conterganstiftung die gleiche Summe dazugeben. Aus diesem Geldbetrag wird den contergangeschädigten Menschen ab 2009 jährlich einmal eine Summe zur freien Verfügung ausgezahlt, um Spätfolgen der Schädigung zu mildern. Die Höhe der Einmalzahlung wird sich an der Höhe der Schädigung bemessen.

Darüber hinaus wird der Deutsche Bundestag in einem überfraktionellen Antrag die Bundesregierung auffordern, Forschungsprojekte zu den Spätfolgen der Schädigung zu initiieren. Außerdem arbeitet eine interministerielle Arbeitsgruppe an Vorschlägen zur Verbesserung der Kostenübernahme von Behandlungen bei Conterganschäden durch die Gesetzliche Krankenversicherung. Das Bundesgesundheitsministerium versucht, durch Gespräche mit den verschiedenen Organisationen des Gesundheitswesens sicherzustellen, dass Contergangeschädigte alle Leistungen erhalten, die medizinisch geboten sind.

Meiner Meinung nach haben wir so -- Schritt für Schritt - einen wirklichen Fortschritt für die contergangeschädigten Menschen erreicht. Daher bitte ich um Verständnis, dass ich weder im Moment noch in absehbarer Zukunft sehe, dass der Bund darüber hinaus weitere finanzielle Leistungen für contergangeschädigte Menschen übernehmen kann. Nicht zuletzt auch aus Gründen der Gleichbehandlung gegenüber Menschen mit ähnlichen Behinderungen, die keinen Verursacher für ihre Behinderung namhaft und verantwortlich machen können.

Bei Vergleichen mit anderen Ländern darf man sich nicht allein auf die Entschädigungsrenten beziehen, sondern muss auch andere Sozialleistungen berücksichtigen, die hier in Deutschland zusätzlich zu den Entschädigungsleistungen gezahlt werden, wie z.B. ALG II- oder SGB XII-Leistungen für nicht erwerbstätige Contergangeschädigte, Erwerbsminderungsrenten oder auch Leistungen der Kranken- und Pflegekassen, Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe, etc.

Mit freundlichen Grüßen

Ilse Falk MdB