Frage an Ilja Seifert von Jan W. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Dr. Seifert,
wie stellen sie sich vor den Krieg in Afghanistan zu beenden?
Wollen sie Blumen in die Läufe von Sturmgewehren der Taliban stecken und hoffen, dass sie sich von der "make love not war" Einstellung anstecken lassen? Meinen sie, dass sie einem radikalisierten, fanatischen "Gotteskrieger" einfach so sagen können: "Einpacken, Krieg ist vorbei, ab heute gibts Bildung und Demokratie"? Versuchen sie es doch mal.
Wollen sie es durch Aufklärung und Bildung erreichen? Man wird die erbauten Schulen und Begegnungszentren plündern, verwüsten, abbrennen oder sprengen. Es wird nichts mehr geben wo sie aufklären und ausbilden können! Wenn sie die Mentalität der Leute kennen würden, würden sie anders denken.
Okay, man kann sagen "Bundeswehr raus aus Afghanistan" aber dann sollte man auch Verantwortung übernehmen für das was dann kommt. Steigende Analphabetisierungsrate, mittelalterliche Rechtsprechung, null Toleranz, massive Diskriminierung von Frauen und "Ungläubigen", keine Bildung und und und. Unsere Soldaten sind es, die mit ihrem Leben und (leider) mit ihren Waffen versuchen, das Leben afghanischer Bürger und ihre Menschenrechte schützen. In Ländern wie Afghanistan zählt ein Mann ohne Waffe nicht. Der Anfang der Krisenbewältigung muss erfochten werden und eben leider nicht nur durch Worte.
Bitte überzeugen sie mich wie sie es mit friedlichen Mitteln schaffen wollen. Ich ordne mich dem linken Lager zu aber unter anderem solche Sprüche hindern mich daran ihre Partei zu wählen! Zeigen sie mir, dass nicht nur reiner Populismus hinter ihren Sprüchen steckt.
Viel Erfolg im Wahlkampf
Mit freundlichen Grüßen
Jan Werder
Sehr geehrter Herr Werder,
Sie haben in gewisser Weise den wunden Punkt der Afghanistan-Debatte in Deutschland und den anderen NATO-Staaten getroffen: Keine der Regierungen verfügt über ein fertiges Konzept für Frieden und Wiederaufbau. Sie haben sieben Jahre verstreichen lassen, ohne ihre „Hausaufgaben“ zu machen. Dies gilt auch und vor allem für die Bundesregierung. Die NATO hat eisern auf die militärische Karte gesetzt und damit auf die militärische Eskalation. Letzten Endes hat diese Strategie seit 2005 zu einem Wiedererstarken der Taliban und anderer aufständischer Gruppen geführt. Die Sicherheitslage ist heute schlechter als 2004. Immer mehr Zivilisten fallen diesem Krieg zum Opfer – auch durch NATO- und Regierungstruppen. Die drängende Frage lautet deswegen eigentlich weniger, ob „Blumen in den Lauf von Sturmgewehren stecken“ eine mögliche Lösung sein könnten, sondern ob ein „weiter so wie bisher“ die Lösung ist. DIE LINKE beschränkt sich nicht nur auf die richtige Forderung „Bundeswehr raus aus Afghanistan“. Kurz zusammengefasst: DIE LINKE hält einen Strategiewechsel für dringend notwendig um der afghanischen Bevölkerung tatsächlich eine Friedensperspektive zu eröffnen. Der Neuanfang in Afghanistan sollte auf vier Pfeilern ruhen: Abzug der Bundeswehr (und anderer NATO-Truppen), Förderung des innerafghanischen Friedensprozesses, Einbindung der Staaten der Region – insbesondere Irans, Indiens und Pakistans – zur Stabilisierung Afghanistans, und vor allem die intensivierte Unterstützung des Wiederaufbaus und der Entwicklung Afghanistans mit zivilen Instrumenten.
Wir haben viele Kontakte nach Afghanistan aufgebaut und auch in Deutschland gemeinsam mit Expertinnen und Experten mögliche Strategien diskutiert. Einige der Zwischenergebnisse, die sich auch in unseren Anträgen zu den Mandatsverlängerungen wiederfinden, können Sie auch auf der Homepage der Fraktion DIE LINKE ( http://www.linksfraktion.de ) herunterladen,z.B. die Broschüre „Den Krieg beenden – Frieden für Afghanistan“ ( http://dokumente.linksfraktion.net/pdfdownloads/7761174820.pdf ).
Es gibt zwar keine Blaupause für den Frieden. Eines ist jedoch sicher: den Frieden wird man auch in Afghanistan nicht herbei schießen können.
Mit freundlichen Grüßen
Ilja Seifert