Frage an Ilja-Kristin Seewald von Johannes M. bezüglich Senioren
Sehr geehrte Frau Seewald,
wieso wird in der Diskussion um Altersarmut immer nur über die Bedrohung von Arbeitnehmern diskutiert? Es gibt viele Selbständige und Gewerbetreibende, die trotz langer Arbeitszeiten einen so geringen Gewinn erwirtschaften, dass sie ebenfalls zu wenig privat vorsorgen können. Ihre Situation ist mit Arbeitnehmern im Niedriglohnsektor vergleichbar. Wie sieht Ihr Konzept aus, um diese Art der Altersarmut zu vermeiden?
Teilweise ist die Situation von Selbständigen sogar schlimmer, weil sie wegen fehlender gesetzliche Rentenversicherungspflicht privat vorsorgen und dabei bei Rentenversicherungsverträge getäuscht wurden, bei denen private Versicherungskonzerne ganz legal die tatsächlichen Kosten der Verträge verschweigen dürfen. Wieso werden Versicherungsunternehmer nicht gezwungen anzugeben, wie hoch der Versicherungsanteil und wie hoch der Sparanteil der monatlichen Prämie wirklich ist? Nur so kann man ausrechnen, mit welchem Altersvermögen man nach Ablauf der Sparphase realistisch rechnen kann und einen Rentenvertrag mit einem reinen Fondssparvertrag vergleichen. Ohne dieser Verpflichtung zahlt man monatliche Beiträge in ein schwarzes Loch in der Annahmen es würde genügend übrig bleiben. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass hier die Transparenz erhöht wird?
Mit freundlichen Grüßen
J. M.
65439 Flörsheim/Main
Lieber Herr M.,
lassen Sie mich mit Ihrer zweiten Frage beginnen. Verbraucherschutz ist für mich eine wichtige Grundposition und ich bin dafür, diesen auf allen Ebenen auszuweiten und konsequent anzuwenden. Da gehört einiges dazu – beginnend mit klar definierten, weitreichenden Rechten, über eine konsequente Umsetzung bestehenden Rechts bei Fragen wie z.B. dem Dieselskandal bis hin zu den von Justizminister Maas vorgeschlagenen Sammel- und Musterfeststellungsklagen, die endlich eingeführt werden müssen. Und in diesen Kontext gehört natürlich auch die von Ihnen angesprochene Frage der vollen Transparenz bei Finanz- und Versicherungsgeschäften, die ich vollumfänglich befürworte und für deren Einführung ich mich stark machen werde.
Für Ihren anderen Punkt, die Vermeidung von Altersarmut bei Selbständigen und Gewerbetreibenden, verweise ich auf meine Antwort auf Ihre auch hier auf Abgeordnetenwatch veröffentlichte Frage zur Zukunft unserer Sozialversicherungssysteme. Darüber hinaus möchte ich ergänzen, dass ich die Einführung einer Bürgerversicherung befürworte. Sie würde gerade auch Selbständige und Gewerbetreibende umfassen und die Situation der von ihnen angesprochenen Betroffenen signifikant verbessern. Die Einführung einer Bürgerversicherung nach Schweizer Vorbild sollten wir evaluieren. Sie würde bedeuten, alle zahlen für ihre kompletten Einkünfte (egal aus welcher Quelle) einen gleichbleibenden Prozentsatz in die Sicherungssysteme ein und erhalten dann Leistungen, die teilweise bei Maximalbeträgen gedeckelt sind. Auch dieser Ansatz hätte aus meiner Sicht die erwünschte Konsequenz – eine sozial gerechte Verteilung der Lasten und eine Beschränkung der Belastung von Arbeitseinkommen. Lassen Sie uns die Sozialsysteme solidarischer und gerechter organisieren. Das ist Teil meiner „Agenda“, und ich bringe die dafür nötige Kraft und Ausdauer mit.
Herzliche Grüße
Ilja-Kristin Seewald