Frage an Ilja-Kristin Seewald von Johannes M. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrte Frau Seewald,
es gibt Studien, nach denen durch die digitale Revolution 40 -50 % der sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze ersatzlos wegfallen. Ob dies eintrifft mag dahingestellt bleiben, aber denkbar wäre es, da im Gegensatz zur industriellen Revolution erstmals Maschinen sich selbst bauen können. So gibt es bereit jetzt 3-D-Drucker, die von 3-D-Druckern gedruckt werden. Falls durch die digitale Revolution tatsächlich eine kritische Anzahl von Arbeitsplätzen ersatzlos wegfällt, würde dies den Kollaps unserer sozialen Absicherungssysteme bedeuten, da deren Finanzierung (fast) ausschließlich auf Beschäftigung von Arbeitnehmern ausgerichtet sind.
Was wollen Sie tun, um sicher zu stellen, dass unsere soziale Absicherungssysteme so organisiert werden, dass sie auch dann noch funktionieren, falls es wirklich zu einer solchen Entwicklung kommen würde?
Mit freundlichen Grüßen
J. M.
65439 Flörsheim/Main
Lieber Herr M.,
vielen Dank für Ihre Frage. Sie haben Recht, die Digitalisierung ist beides – eine große Chance aber auch eine große Herausforderung. Aus meiner Sicht müssen wir es schaffen, Deutschlands wirtschaftliche Stärke auch bei zunehmender Digitalisierung zu bewahren UND die von Ihnen beschriebenen möglichen Auswirkungen sozial gerecht zu verteilen. Deshalb müssen wir zuerst mal dafür sorgen, dass Arbeitsplätze in einer digitalisierten Ökonomie auch in Deutschland und nicht nur im Silicon Valley entstehen, und das wird uns u.a. nur gelingen, wenn wir konsequent und nachhaltig in Bildung und Infrastruktur investieren und die neue Herausforderung annehmen, anstatt Unausweichliches bekämpfen zu wollen, wie das manche planen.
Das vorausgeschickt denke ich, der Umbau der Sozialsysteme ist nicht nur wegen der möglichen Auswirkungen der Digitalisierung, sondern auch aus demographischen Gründen nötig. Wir können die ganze Last nicht immer weniger Schultern (den voll sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern) aufbürden. Das wäre einerseits nicht gerecht, und andererseits würde es Arbeit weiter verteuern. Aus diesem Grund plädiere ich zuerst einmal dafür, versicherungsfremde Leistungen noch viel konsequenter als das heute der Fall ist aus Bundeszuschüssen, also Steuermitteln, zu zahlen. Diese Bundeszuschüsse müssen dann über die Zeit weiter ausgebaut werden und einen größeren Teil der Sozialsicherungssysteme finanzieren. Das bedingt dann aber Änderungen in den Steuer- und Abgabesystemen, weil ansonsten doch wieder die Arbeitnehmer über Lohn- und Einkommenssteuern diejenigen sind, die belastet werden. Hier müssen wir es endlich schaffen, Steuerschlupflöcher zu schließen (z.B. die Gewinnverschiebungen von internationalen Konzernen), die Erbschaftssteuer gerechter zu gestalten und dadurch anstrengungslose Einkünfte zur Finanzierung der Gesellschaft heranzuziehen und zuletzt müssen wir Kapitaleinkünfte in Zukunft wieder äquivalent zu Arbeitseinkünften versteuern und nicht bevorzugt behandeln.
Mir ist bewusst, dass das „ein dickes Brett“ ist, aber die Herausforderung wird riesig sein, und deshalb brauchen wir große Lösungen. Ich bin bereit und habe die Kraft und Ausdauer, mich dafür einzusetzen. Für einen weiteren Austausch stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Herzliche Grüße
Ilja-Kristin Seewald