Frage an Huy-Tam Van von Sven-Thorsten I. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Van,
gerade bei der von Ihnen beschriebenen Integrationspolitik sehe ich aber viele Ungerechtigkeiten.
Als frischgebackener Ehemann einer Filipina kann ich davon einiges berichten, z.B. von erheblichen Kosten für das Visum und den Sprachkurs A1, der nach der neuen Gesetzgebung schon im Heimatland absolviert werden muss. Bestimmte Länder sind davon ausgenommen, z.B. Südkorea.
Dies ist nach Ansicht vieler Juristen nicht grundgesetzkonform. Hingegen erhalten Migrantenkinder die hier geboren sind, automatisch einen deutschen Pass. Dies ist umso ärgerlicher für die Öffentlichkeit, wenn es sich in bestimmten Fällen um kriminelle Intensivtäter handelt. Dies möchte ich natürlich nicht verallgemeinern, aber zeigt durchaus eine gewisse Schieflage. Mir ist bewußt, daß dies kommunal nicht geklärt werden kann. Gleichzeitig möchte ich, unabhängig von der aktuellen Diskussion, darauf hinweisen, daß es Hamburger Stadtteile gibt, wo ich nicht von einer gelungenen Integration sprechen möchte, wie z.B. im Hamburger Süden.
Wie sehen Sie das?
Mit freundlichen Grüßen
Sven-Thorsten Ihde
Sehr geehrter Herr Ihde,
danke für Ihre Frage und weiterführenden Anmerkungen zum Thema Integration.
Sie sprechen explizit den Teilaspekt der Familienzusammenführung und den damit verbundenen „Ungerechtigkeiten“ an. Ich möchte vorab einige Ausführungen hierzu tätigen, bevor ich zu Ihrer Frage zurückkomme.
Der Europäische Rat hat auf dem Gipfeltreffen im Finnischen Tampere 1999 die Integration von Drittstaatsangehörigen als ein Meilenstein auf dem Weg zu einer Union der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts benannt. Gleichzeitig sprach sich das Gipfeldokument für eine "energischere Integrationspolitik" aus. Zu den Zielen einer solchen Integrationspolitik zählen beispielsweise die Förderung der Nichtdiskriminierung im wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben und die Entwicklung von Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.
Die Europäischen Staats- und Regierungschefs definierten im "Haager Programm zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht in der Europäischen Union" die Integration von Drittstaatsangehörigen im November 2004 als eines von zehn Prioritätsbereichen. Zwar hatte sich der Rat auf gemeinsame Grundprinzipien für die Politik der Integration von Einwanderern in der EU verständigt. Die grundsätzliche Zuständigkeit für die Integrationspolitik liegt aber bei den Mitgliedstaaten der EU.
Wie unterschiedlich das Thema Integration aber bei den einzelnen Mitgliedsländern angesehen wird zeigt, wie das Konzept der Integration definiert wird. Bis zu einem gewissen Grad sind sich die Mitgliedstaaten darin einig, dass Integration verschiedene Komponenten umfassen und ein zweiseitiger Prozess sein muss, an dem sowohl die Ausländer als auch ihre Wohnsitzgemeinde beteiligt sind. Folgende Kernelemente der EU-Mitgliedstaaten können zusammenfassend genannt werden, an die sich Migranten halten sollten:
- Achtung der grundlegenden Werte in einer demokratischen Gesellschaft
- Recht auf Beibehaltung der jeweiligen kulturellen Identität
- Rechte und Pflichten, die mit denen der EU-Bürger vergleichbar sind
- aktive gleichberechtigte Teilnahme an allen Lebensbereichen (wirtschaftlich, gesellschaftlich, kulturell, politisch).
Gleichzeitig muss aber festgehalten werden, dass in den meisten Ländern es weder Instrumente zur Messung der Integration noch Normen für die erfolgreiche Integration gibt. Während beispielsweise die Niederlande von einer erfolgreichen Integration sprechen, wenn die Migranten ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können, ist die Integration für das
Vereinigte Königreich und Österreich mit der Einbürgerung gelungen.
Die große Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten betont aber, dass unzureichende Sprachkenntnisse die Integration in hohem Maße erschweren können. Einerseits können mangelnde Bildung oder Qualifizierung zu Schwierigkeiten führen andererseits werden die restriktiven Bewertung und Anerkennung ausländischer Qualifizierungen und Befähigungsnachweise als Hemmnis für eine schnelle Integration genannt. Schließlich wirkt sich nach Auffassung einiger Länder die Arbeitslosigkeit eines Menschen mit Migrationshintergrund integrationshemmend aus. Implizit bedeutet das, dass ein Arbeitsplatz ein Schlüssel für die Integration von Ausländern in die Gesellschaft ist. Die Niederlande meinten explizit, dass die Kinder ethnischer Minderheiten durch schlechte Sprachkenntnisse ins Hintertreffen geraten können.
Das Aufenthaltsgesetz wurde daraufhin in Deutschland grundlegend reformiert. Diese Neuerung beruht auf dem „Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union“. Danach müssen ausländische Ehepartner, die nach Deutschland ziehen möchten, schon bei der Beantragung des Visums im Heimatland einfache Deutschkenntnisse nachweisen.
Dieses sogenannte Zertifikat A1 wurde vom Europarat im „Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen“ definiert. Die Kompetenzstufe A1 bedeutet, dass vertraute, alltägliche Ausdrücke und ganz einfache Sätze verstanden und verwendet werden können, die auf die Befriedigung konkreter Bedürfnisse zielen. Die Personen können sich und andere vorstellen und anderen Leuten Fragen zu ihrer Person stellen - beispielsweise wo sie wohnen, was für Menschen sie kennen oder was für Dinge sie haben - und können auf Fragen dieser Art Antwort geben. Sie können sich auf einfache Art verständigen, wenn die Gesprächspartnerinnen oder Gesprächspartner langsam und deutlich sprechen und bereit sind zu helfen.
Die Forderung des Zertifikates A1 schon bei Antragstellung in den deutschen Konsulaten ist aus meiner Sicht daher als Ergebnis der strikten Durchführung und Befolgung eines langen EU-Abstimmungsprozesses zu verstehen. Damit soll die sprachliche Basis für das Leben in Deutschland und die schnellere Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ermöglicht werden.
Sie haben Recht, lieber Herr Ihde. Für Staatsangehörige einiger weniger Länder besteht der Nachweis von Deutschkenntnissen nach Zertifikat A1 vor Einreise in die BRD nicht. Laut meiner Information hat dies aber historische Gründe. Mit Australien, Israel, Japan, Kanada, Republik Korea, Neuseeland und Vereinigte Staaten von Amerika bestanden vor Einführung dieser Reformen im Jahre 2007 bereits bilaterale Abkommen, wonach keine Visapflicht galt. Diese Regelung genießt daher Vorrang. Möchten die Eheggatten dieser genannten Länder nicht nur als Touristen Deutschland besuchen, sondern länger als die üblichen drei Monate bleiben, müssen ebenfalls Visa beantragt werden. Für langfristige Aufenthalte werden dann auch von Staatsmitgliedern dieser Länder Deutschkenntnisse gemäß A1-Zertifikat gefordert. Der Unterricht zur Erlangung dieser Sprachkenntnisstufe wird in Deutschland nicht bezuschusst. Zusätzlich existieren einige Gründe, bei der das Zertifikat A1 nicht verlangt wird, wie beispielsweise bei nachgewiesener körperlicher oder geistiger Behinderung.
Lieber Herr Ihde, Sie sprechen auch die hohe Kostenbelastung im Zuge der Familienzusammenführung an. Diese Feststellung ist sicherlich richtig, nur bitte ich zu bedenken, dass die großen Kostenblöcke sogenannte Durchlaufkosten sind. Dies bedeutet, dass diese Kosten beispielsweise für die Legalisierung und Übersetzung der erforderlichen Dokumente, was übrigens auch enorme Bearbeitungszeiten entstehen lässt, erhoben werden. Schließlich müssen Notare, Gerichte, Anwälte und Behörden in beiden Ländern beauftragt werden. Im Einzelnen sind es beispielsweise 20,00 € für die konsularische Bestätigung des Ehefähigkeitszeugnisses, 25,00 € Portokosten, 20,00 € für die Bereitstellung der Dokumente zur Abholung. Hier denke ich, gibt es einen Ansatzpunkt, diese Kosten zukünftig durch Standardisierungen und Vereinfachungen zu minimieren. Die reine Visagebühr beträgt auf den Philippinen nach meinen Informationen 60,00 €, die für Ehepartner von EU-Staatsangehörigen nicht anfallen.
Ihre Aussage, dass Migranten zweiter Generation automatisch die Deutsche Staatsangehörigkeit erhalten, ist so pauschalisiert nicht korrekt. Meines Wissens betrifft die generelle Einbürgerung nur die Kinder, bei denen ein Elternteil die Deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Bei allen anderen Ausländern erfordert es ein Einbürgerungsverfahren, das teilweise sehr langwierig und kostenintensiv für den Einzubürgenden ist. Beispielsweise wird Deutschkenntnis nach Zertifikat B1 und ein Verfahren zur Aberkennung der Staatsangehörigkeit im Heimatland gefordert.
Die Befürchtung, dass kriminelle Ausländer eingebürgert werden, wird meiner Meinung nach bereits sinnvoll überprüft. Schließlich werden polizeiliche Führungszeugnisse und die Teilnahme an der staatsbürgerlichen Schulung und deren Zertifizierung zwingend vorgeschrieben. Das geht Hand in Hand mit meinen einleitenden Ausführungen. Das Ziel der Integration ist schließlich die Partizipation der rechtmäßig in Deutschland lebenden Menschen mit Migrationshintergrund am sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Leben der Gesellschaft zu fördern und zu fordern. Die Einwanderer respektieren dabei die grundlegenden Normen und Werte Deutschlands und beteiligen sich aktiv am Integrationsprozess, ohne ihre Identität aufzugeben. Wobei es sich um einen fortlaufenden und wechselseitigen Prozess handelt.
Zur Kriminalitätsbekämpfung hat die CDU in Hamburg ein erfolgreiches Konzept umgesetzt. Die Zahl der Straftaten ist in den letzten Jahren bereits um 25 Prozent gesenkt worden. Trotzdem ist aus meiner Sicht die Verhütung von Gewalttaten immer noch der beste Opferschutz. Daher bleiben die Prävention von Straftaten und die Sicherheit der Bevölkerung auch in sozialen Brennpunkten weiterhin oberstes Ziel der CDU. Deshalb wird die Effektivität in Verfolgung und Verurteilung von Straftätern sowie die Verkürzung der Verfahrensdauer weiterhin verbessert. Insbesondere bei den Jugendstrafverfahren wird eine konsequente Anwendung des Erwachsenenstrafrechts bei Tätern ab 18 Jahren, die Erweiterung der Haftgründe und ein Warnschussarrest von der CDU gefordert.
Mit freundlichem Gruß
Huy-Tam Van