Statt die arbeitende Bevölkerung zu entlasten werden durch ihren aktuellen Gesetzentwurf Hartz 4 abgeschafft und die Regelsätze erhöht. Wie rechtfertigen Sie das gegenüber Arbeitnehmern und Firmen?
Sehr geehrter Herr Heil,
durch ihren aktuellen Gesetzesentwurf zur Abschaffung von Hartz 4 wird die arbeitende Bevölkerung mit weiteren 500 Millionen Euro aus Steuermitteln belastet. Während die Entlastungen für Kurzzeitarbeitslose noch gerechtfertigt sein mögen, werden Menschen, die nichts zum Sozialsystem beitragen dahingehend entlastet, dass Sanktionen wegfallen und die Regelsätze steigen. Wie rechtfertigen Sie die weitere Belastung der Arbeitnehmer und Unternehmen gerade in dieser schweren Zeit und verteilen Geschenke?
Sehr geehrter Herr Z.,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Der Staat ist aufgrund des Sozialstaatsprinzips verpflichtet, seinen mittellosen Bürgerinnen und Bürgern die Mindestvoraussetzungen zur Führung eines menschenwürdigen Lebens erforderlichenfalls durch Sozialleistungen zu sichern (Existenzminimum).
Das Bürgergeld-Gesetz sieht allerdings weiterhin vor, dass Leistungsberechtigte nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) dazu verpflichtet sind, selbst – soweit es geht – daran mitzuwirken, aus der Hilfebedürftigkeit herauszukommen.
Das heißt: Wer hilfebedürftig ist, dem gewährleistet der Staat ein menschenwürdiges Existenzminimum. Dies ist und bleibt ein Kernversprechen unseres Sozialstaats. Erwerbsfähige Leistungsberechtigte sollen jedoch nicht nur mit staatlichen Fürsorgeleistungen versorgt werden. Sie sollen gleichzeitig in ihrer Eigenverantwortung so gestärkt und unterstützt werden, dass ihre Hilfebedürftigkeit möglichst vermieden, überwunden oder verringert wird. Den Mitwirkungspflichten und ihrer Durchsetzung kommt dabei eine nicht unbedeutende Rolle zu.
Grundgedanke beim neuen Bürgergeld ist eine kooperative Beziehung zwischen den Leistungsberechtigten und Jobcentern auf Augenhöhe. Mit der Reform werden die Potenziale der Menschen und die Unterstützung für eine nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt in den Mittelpunkt gestellt. In diesem Sinne wurden auch die Leistungsminderungen auf Basis des Urteils des Bundesverfassungsgerichts aus dem November 2019 neu geregelt.
An Mitwirkungspflichten wird im Bürgergeld-Gesetz festgehalten. Leistungsminderungen sind seit Jahresbeginn 2023 möglich, wenn leistungsberechtigte Menschen ihren Mitwirkungspflichten nicht nachkommen oder nicht zu Terminen erscheinen. Erscheinen Bürgergeldberechtigte ohne wichtigen Grund nicht zu einem Termin im Jobcenter wird der Regelbedarf um 10 Prozent für einen Monat gemindert. Bei Pflichtverletzungen - wie auch der Ablehnung eines Arbeitsangebotes - greift eine gestaffelte Minderung. Pflichtverletzungen, die zu Leistungsminderungen führen können, werden im Übrigen auch dann angenommen, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte durch ihr - negatives - Verhalten eine Einstellung vereiteln.
Mit freundlichen Grüßen
Hubertus Heil