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Hubertus Heil
SPD
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Frage von Herbert M. •

Sehr geehrter Herr Heil, warum ist die SPD nicht mehr sozial? Beisp. Rente muß versteuert werden und nur der Arbeiter zahlt in eine Rentenkasse und die Abgeordneten und Beamten nicht?

Sehr geehrte Herr Heil,
Sie sind in einer sozialen Partei. Warum zahlen nicht sämtliche beschäftigte in eine Rentenkasse? Ich meine damit auch Beamte und Abgeordnete. Warum muß ich meine Rente versteuern? Warum werden Beamte kurz vor ihrer Pension noch befördert?
LG H. M.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr M.,

ich danke Ihnen für Ihre Frage vom 2. Juni 2022. Gerne erläutere ich Ihnen unser Rentensystem.

Soweit Sie eine Belastung Ihrer Renteneinkünfte mit Einkommensteuern ansprechen, möchte ich auf folgendes hinweisen: Das Einkommensteuerrecht basiert auf dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Artikel 3 Grundgesetz). Danach muss sich die Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer an der individuellen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen orientieren. Ausgangspunkt sind die vom Steuerpflichtigen insgesamt erzielten Einkünfte. Dazu gehören unter anderem auch Einkünfte aus Renteneinkünften, wie z. B. die Altersrente oder Hinterbliebenenrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Für die Besteuerung von Renten gibt es keine Sonderregelungen, denn auch Renten erhöhen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Renten sind daher seit jeher steuerpflichtig. Auch sind (pensionierte) Beamte und Spitzenverdiener nicht von der Steuerpflicht befreit.

Das gegenwärtig geltende System der Rentenbesteuerung beruht noch auf einer Übergangsregelung, die die Besteuerung von Renten erst langfristig (bis zum Jahr 2040) auf die sogenannte nachgelagerte Besteuerung umstellt. Im Rahmen dieser Umstellung werden Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung derzeit noch nicht voll besteuert, d.h. ein Teil bleibt steuerlich unbelastet. Diese Umstellung beruht auf den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), das mit Urteil vom 6. März 2002 (2 BvL 17/99) die vorherige gesetzliche Regelung der Besteuerung von Renten (Ertragsanteilsbesteuerung) und Pensionen (volle Besteuerung) für verfassungswidrig erklärt hatte. Nach eingehender Diskussion sowie Bewertung durch eine Sachverständigenkommission wurde damals für die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund der verfassungsgerichtlichen Vorgaben die Umstellung auf die nachgelagerte Besteuerung beschlossen. Nachgelagerte Besteuerung bedeutet, dass Renten erst dann versteuert werden, wenn sie im Alter ausgezahlt werden. Dafür bleiben im Gegenzug die während der Erwerbstätigkeit eingezahlten Beiträge zum Aufbau der Altersversorgung unversteuert. Das entlastet die Bürger, denn im Regelfall ist man während des Erwerbslebens einem höheren Steuersatz unterworfen als im Rentenalter.

Soweit Sie fordern, dass auch Beamte und Abgeordnete in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen sollen, möchte ich bemerken, dass es sich bei der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung um zwei verschiedene Alterssicherungssysteme handelt, die sich eigenständig voneinander entwickelt haben und die daher in ihren Einzelregelungen nicht oder nur sehr bedingt miteinander vergleichbar sind. Im Übrigen ist vorwegzuschicken, dass für die Versorgungsregelungen der Beamten des Bundes die Zuständigkeit des Bundesministeriums des Innern und für Heimat gegeben ist und für die übrigen Beamten die Zuständigkeit der jeweiligen Bundesländer.

Durch eine Einbeziehung der Beamten und Abgeordneten in die gesetzliche Rentenversicherung würde die Solidargemeinschaft der gesetzlich Versicherten erweitert und einem weit verbreiteten Gefühl einer ungerechtfertigten Bevorzugung von Beamten und Abgeordneten der Boden entzogen. Wie Sie aber sicher wissen, bedürfte es hierzu einer Grundgesetzänderung, die nur in sehr breitem Konsens erreichbar ist. Ferner müssten Lösungen gefunden werden, die insbesondere vermeiden, dass in der Übergangsphase der Einbeziehung der Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung für die öffentlichen Körperschaften eine Doppelbelastung entsteht. Denn es wären in der Übergangsphase gleichzeitig für die aktiven Beamten Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen und die Versorgungslasten für die früheren Beamten zu tragen.

Die gesetzliche Rente erfüllt die Funktion einer Regelsicherung (erste Säule der Altersvorsorge). Die Beamtenversorgung deckt hingegen neben der Funktion der Regelsicherung auch die der betrieblichen Zusatzsicherung ab. Man spricht in diesem Zusammenhang daher auch von der „Bifunktionalität der Versorgung. Grundlage der Versorgung ist das Alimentationsprinzip, das zu den in Artikel 33 Absatz 5 GG verankerten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gehört.

Eine Einbeziehung der Beamten und Abgeordneten in die gesetzliche Rentenversicherung würde zudem nicht zu einer finanziellen Entlastung der gesetzlichen Rentenversicherung führen. Die Forderung nach einer Einbeziehung geht von der Überlegung aus, dass durch eine Ausweitung der Zahl der Beitragszahler jeden einzelnen Versicherten ein kleinerer Anteil an den aufzubringenden Mitteln treffen würde. Je nach konkreter Ausgestaltung würde die Einbeziehung der vorgenannten Personengruppen zwar kurz- und mittelfristig zu einer Verbesserung der Finanzgrundlage der gesetzlichen Rentenversicherung führen. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass sich für diese Personenkreise langfristig auch Renten- und Rehabilitationsansprüche mit entsprechend höheren Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung ergeben würden. Spätestens nach etwa 30 Jahren würden immer mehr Beamte zu Rentnern. Aus der finanziellen Entlastung der Rentenversicherung würde so langsam aber stetig eine finanzielle Belastung. Die Ausgaben würden steigen, also müssten auch die Einnahmen steigen.

Für die Entlastung der heutigen Beitragszahler hätten also die künftigen Beitragszahler aufzukommen. Zu diesem Ergebnis kommt auch die von der Bundesregierung beauftragte Kommission „Verlässlicher Generationenvertrag“. Die Kommission hat die Einbeziehung von Beamtinnen und Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung als technisch und rechtlich keineswegs trivial bezeichnet und empfohlen, alle Reformmaßnahmen in der gesetzlichen Rentenversicherung systemgerecht und wirkungsgleich auf die Beamtenversorgung zu übertragen.

Soweit nicht grundlegende Unterschiede zwischen beiden Alterssicherungssystemen dem entgegenstehen, sind seit Anfang der 1990er Jahre Maßnahmen in der gesetzlichen Rentenversicherung auch wirkungsgleich in die Beamtenversorgung des Bundes übertragen worden. Wirkungsgleichheit heißt nicht "Betragsgleichheit", sondern dass die gleichen Ziele, ggf. auf unterschiedlichen Wegen und unter Beachtung der Systembesonderheiten, erreicht werden.

Ich hoffe Ihre Frage beantwortet zu haben.

Mit freundlichen Grüßen

Hubertus Heil

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