Sehr geehrter Herr Heil, wann wird das Problem durch das Zuflussprinzip des Paragraphen 11 SGB II behoben bzw. eine Einzelfallentscheidung für Jobcenter ermöglicht? Zahlungstermine ALGI/Bürgergeld.
Ich bin dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt. Als das Krankengeld auslief, musste ich Arbeitslosengeld beantragen, obwohl ich nicht arbeitslos, sondern immer noch krankgeschrieben war. Den Antrag auf Erwerbsminderungsrente habe ich gestellt und die Reha steht noch aus. Die Zahlungen des ALG I sind immer 1-2 Tage vor Monatsende auf dem Bankkonto eingegangen. Aufgrund eines nicht eingegangen Schreibens der ARGE, erhielt ich ein weiteres Schreiben mit der vorläufigen Einstellung des ALG I. Diesen Umstand habe ich nicht zu vertreten und trotz sofortiger Mitwirkung meinerseits kam das ALG erst am 01.12.23 auf meinem Konto an. Durch die lange Bearbeitungszeit der DRV, war ich gezwungen Bürgergeld ab 12.23 zu beantragen. Dies wurde aufgrund des Paragraphen 11 SGB II Zuflussprinzip abgelehnt. Nun stehe ich für 12.23 ohne Geld da, da das ALG I für die Kosten des Monats 11 verwendet wurde. MfG
Sehr geehrte Frau A.,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Für die Berücksichtigung von Einkommen ist eine möglichst einfache Regelung erforderlich, die für alle Beteiligten gut nachvollziehbar und umsetzbar ist. Der Gesetzgeber hat sich daher für das Zuflussprinzip entschieden, wonach eine Einnahme stets im Monat des Zuflusses berücksichtigt wird.
Eine Nichtberücksichtigung von Einnahmen, selbst wenn sie für vorangehende Zeiträume gezahlt werden, wäre mit der Systematik der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht vereinbar. Die Grundsicherung für Arbeitsuchende (Bürgergeld) ist eine steuerfinanzierte Sicherstellung des soziokulturellen Existenzminimums. Auf diese Leistung besteht ein Rechtsanspruch, der verfassungsrechtlich garantiert ist. Anspruchsberechtigt ist, wer hilfebedürftig ist, wer also seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sicherstellen kann.
Maßgeblich für die Feststellung der Hilfebedürftigkeit ist der laufende Kalendermonat. Es werden also grundsätzlich alle Einnahmen, die in einem Monat zugehen, als Einkommen berücksichtigt. Diese Einnahmen werden dem tatsächlichen Bedarf gegenüber gestellt - ergibt sich eine Differenz, wird in dieser Höhe Bürgergeld gezahlt. Ist der Bedarf jedoch durch die Einnahmen vollständig gedeckt, besteht kein Anspruch.
Aufgrund dieser Systematik ergibt sich beispielsweise auch ein möglicher Anspruch auf Bürgergeld für den Monat, in dem eine vorrangige Leistung zwar hätte ausgezahlt werden müssen, sie jedoch tatsächlich nicht zur Verfügung stand. Sie hätten also im November einen Anspruch auf Bürgergeld gehabt. Rückwirkend ist eine Beantragung nicht möglich. Sollte das Arbeitslosengeld zur Deckung Ihres Bedarfs nicht ausreichen, besteht die Möglichkeit, aufstockend Bürgergeld zu beantragen. Ob die Voraussetzungen in Ihrem Fall erfüllt sind, kann nur das zuständige Jobcenter vor Ort prüfen.
Das Zuflussprinzip ist einfach umsetzbar, höchstrichterlich bestätigt und sorgt somit für Rechtssicherheit, sowohl bei den Leistungsberechtigten als auch bei den Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern in den Jobcentern. Die zusätzliche Möglichkeit der Beantragung eines Darlehens stellt zudem sicher, dass es auch bei ausbleibenden Zahlungen nicht zu einer Bedarfsunterdeckung kommt.
Mit freundlichen Grüßen
Hubertus Heil, MdB