Ist es gerecht, das Bürgergeld im kommenden Jahr um über 10 Prozent zu erhöhen, während die Renten nur um 3.5 Prozent steigen sollen?
Sehr geehrter Herr Heil, wieso wird das Bürgergeld um mehr als 10 Prozent erhöht, während die Renten nur um 3,5 Prozent ansteigen sollen. Zum einen wird der Anreiz zu arbeiten bei den Arbeitslosen immer geringer und zum anderen müssen doch alle die gleichen Preise bezahlen? Da wäre es doch gerechter, den Rentner*innen, die sich die Rente durch jahrzehntelange Arbeit erarbeitet haben höhere Renten zu zahlen als denjenigen, die wenig oder keine Beiträge bisher gezahlt haben. Ich kann nur hoffen, dass so eine Ungerechtigkeit nicht verwirklicht wird! Bitte tun Sie Ihr Möglichstes, dies zu verhindern.
MfG
H. I.
Sehr geehrte Frau I.,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Die Anpassung der gesetzlichen Renten erfolgt anders als dies in den Grundsicherungssystemen wie z.B. dem Bürgergeld der Fall ist. Dies hat seinen Grund in den unterschiedlichen Funktionen dieser Sicherungssysteme.
Das Bürgergeld und die Sozialhilfe bilden die unterste Ebene unseres sozialen Netzes, sie dienen der Sicherung des Existenzminimums. Ein Leistungsanspruch besteht bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen dann, wenn eine Person ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen bestreiten kann.
Das System der gesetzlichen Rentenversicherung beruht hingegen auf dem Prinzip der Lohn- und Beitragsbezogenheit. Die Höhe einer Rente richtet sich also vor allem nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen. Die gesetzliche Rente ist damit – im Unterschied zur Grundsicherung für Arbeitsuchende oder zur Sozialhilfe – eine Versicherungsleistung. Eine Einkommens- oder Vermögensprüfung erfolgt nicht.
Dem Prinzip der Lohn- und Beitragsbezogenheit folgt auch die jährliche Anpassung der Renten zum 1. Juli eines Jahres, die grundsätzlich der Lohnentwicklung folgt. Die Preisentwicklung wird bei der Rentenanpassung dagegen nicht berücksichtigt.
Die Rentenanpassung 2023 ist zwar hinter der Inflation zurückgeblieben, aber dies ist nur eine Momentaufnahme. Das Prinzip, dass die Renten den Löhnen folgen, hat sich mit Blick auf die Einkommensentwicklung von Rentnerinnen und Rentnern bewährt. Betrachtet man die Entwicklung des jahresdurchschnittlichen aktuellen Rentenwerts seit 2012, so beträgt der Anstieg im Westen insgesamt 26 Prozent, im Osten sogar 40 Prozent. Im gleichen Zeitraum sind die Preise nur um 20 Prozent gestiegen. Bei 1.000 Euro Rente lag die Rentenanpassung somit brutto um 63 Euro im Westen und um 198 Euro im Osten über der Inflation in diesem Zeitraum.
Des Weiteren gilt es zu bedenken, dass Versicherte und Rentenbezieher eine Solidargemeinschaft bilden und über den Generationenvertrag verbunden sind. Versicherte sind im Regelfall Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und zahlen ihre Rentenversicherungsbeiträge aus dem Arbeitsentgelt. Die Renten werden insbesondere durch die Beiträge der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer finanziert. Vereinfacht ausgedrückt gilt: Steigen die Löhne, steigen für sich genommen auch die Beitragseinnahmen der Rentenversicherung, so dass eine Rentenanpassung der Lohnentwicklung folgend finanziert werden kann. Deswegen setzen wir uns in der SPD für mehr Tarifverträge und damit höhere Löhne ein.
Mit freundlichen Grüßen
Hubertus Heil, MdB