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Hubertus Heil
SPD
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Frage von hans j. •

Frage an Hubertus Heil von hans j. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Heil,

die SPD weigert sich, die Bundeswehr aus Afghanistan zurückzuziehen, wie es die "Linken" und mehr als 2/3 der Bundesbürger fordern.
Ist Ihnen bekannt, dass Deutschland sich spätestens seit dem Tornado-Einsatz wieder aktiv an einem völkerrechtswidrigen Krieg beteiligt?
Ist Ihnen bewusst, dass die SPD sich entgegen BK a.d. Schröders Haltung, keine Beteiligung an Abenteuern", für den Krieg entschieden und damit dem Schwachsinn des SPD-Fraktionsvorsitzenden Struck, "unser Vaterland werde am Hindukusch verteidigt", folgend zur Kriegspartei gewendet hat?

MfG
Hans Jacobsen

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Jacobsen,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan, auf die ich Ihnen gerne antworten möchte.

Mit den Terroranschlägen vom 11.09.2001 sind uns neue Dimensionen terroristischer Gefahren vor Augen geführt worden. Möglich wurden diese Anschläge auch, weil sich Afghanistan nach 22-jährigem Krieg und Bürgerkrieg insbesondere unter der Herrschaft der Taliban zu einem Rückzugsraum für Terroristen entwickelt hatte. Der Kampf gegen und der Sturz des Taliban-Regimes waren notwendig, um dafür zu sorgen, dass Terrorgruppen Afghanistan nicht erneut als Rückzugsbereich und Ausgangspunkt für ihre Aktionen nutzen. Dass dies nötig ist, haben Anschläge in Madrid, London und anderswo vor Augen geführt. Unser Engagement in Afghanistan soll dazu beitragen, dass derartige terroristische Akte verhindert werden. Der oft zitierte Satz des Spd-Bundestagsfraktionsvorsitzenden Peter Struck, Deutschland werde am Hindukusch verteidigt, hat also durchaus seine Berechtigung.

Von einem völkerrechtswidrigen Einsatz kann hier aber keine Rede sein. Die Grundlage der von den USA geführten „Operation Enduring Freedom“ sind die Resolutionen 1368 (2001) und 1373 (2001) des UN-Sicherheitsrates, mit denen die Anschläge vom 11. September verurteilt und die Staatengemeinschaft zum Kampf gegen den Terrorismus aufgerufen wurden, der Artikel 51 der UN-Charta, der das Recht auf Selbstverteidigung postuliert und Artikel 5 des NATO-Vertrages zu gegenseitigem Beistand. Die Rolle der OEF in Afghanistan würdigte der UN-Sicherheitsrat ausdrücklich in seiner Resolution 1623 aus dem Jahre 2005. In anderen Resolutionen werden die internationalen Anstrengungen zur Bekämpfung des Terrorismus, die im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen stehen, unterstützt. Insgesamt beteiligen sich 20 Nationen mit Beiträgen zur OEF, davon 17 in Afghanistan. Der Deutsche Bundestag hat die Beteiligung an OEF erstmals am 16. November 2001 beschlossen. Das Mandat umfasst zurzeit die Bereithaltung von 25 Sanitätskräften (Airbus A310 MEDEVAC) zur luftgestützten medizinischen Notfallversorgung und Evakuierung, 100 KSK-Soldaten auf Abruf sowie Seestreitkräfte im Einsatz am Horn von Afrika (ca. 250 Soldaten).

Grundlage für die Schaffung der International Security Assistance Force (ISAF) war die Bonner Vereinbarung über den Wiederaufbau Afghanistans vom Dezember 2001. Der UN-Sicherheitsrat beschloss deren Aufstellung am 20. Dezember 2001. Am 22. Dezember 2001 hat der Bundestag erstmals die Beteiligung deutscher Streitkräfte an dieser ISAF-Mission beschlossen. ISAF soll im Auftrag der Vereinten Nationen die mittlerweile demokratisch legitimierte afghanische Regierung bei der Herstellung und Wahrung der inneren Sicherheit des Landes unterstützen. Darüber hinaus hilft ISAF bei der Auslieferung humanitärer Hilfsgüter und der geregelten Rückkehr von Flüchtlingen. Die 37 teilnehmenden Staaten wurden von der UN ermächtigt, „alle zur Erfüllung ihres Mandats notwendigen Maßnahmen zu ergreifen“. Damit sind auch Kampfeinsätze gegen militante Gegner der ISAF-Schutztruppe gemeint.

In der Wahrnehmung der Öffentlichkeit stehen die militärischen Beiträge oft im Vordergrund und zivile Maßnahmen werden als nachrangig empfunden. Eine der Ursachen für diese Wahrnehmung ist die Notwendigkeit, dass Militäreinsätze ein Mandat des Parlaments benötigen, das zivile Engagement dagegen nicht. Trotz zahlreicher Konferenzen, regelmäßiger hochrangiger Besuche in Afghanistan und der konkreten Projekterfolge wurde dem zivilen Wiederaufbau in der Öffentlichkeit vergleichsweise weniger Aufmerksamkeit geschenkt.

Dabei ist es von besonderer Wichtigkeit, Stabilität in Afghanistan herzustellen und eine politische Entwicklung voranzutreiben, die den Menschen dort Sicherheit und Frieden bringt, und einen Rückfall in den früheren Zustand verhindert. Schon zu Beginn des Afghanistanengagements war der deutsche Ansatz getragen vom Prinzip der zivil-militärischen Zusammenarbeit. Dieses Konzept hat sich schnell durchgesetzt, wurde zum Teil von anderen Nationen mitentwickelt, übernommen und stellt für uns den Kern unseres Vorgehens für den Wiederaufbau in Afghanistan dar. Hier gilt der Grundsatz: keine Sicherheit ohne Entwicklung und zugleich keine Entwicklung ohne Sicherheit. Diesen Grundsatz werden wir auch weiterhin verfolgen. Das ist sowohl für die Bevölkerung dort, als auch für uns hier in Deutschland der sicherste Weg.

Mit freundlichen Grüßen

Hubertus Heil, MdB

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