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Hubertus Heil
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Frage von Michael S. •

Frage an Hubertus Heil von Michael S. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Hallo Herr Heil,

nach der Vorstellung des Kompetenzteams der SPD mit Ihnen als Person für die neuen Medien wäre ich an ihrer Position zur OpenAccess Bewegung in der Wissenschaft interessiert. Dort überschneidet sich ja die Kontroverse über das geistige Eigentum der Kreativen in großem Maße mit der Notwendigkeit das über Steuergelder finanzierte Erkenntnisse frei zugänglich sein sollten.

Meines Wissens nach wurden auf diesem Gebiet durch die Große Koalition in der Vergangenheit widersinnige Parallelprojekte betrieben, einerseits die Förderung von Langzeitarchivierungsprojekten wie Nestor und ähnlichem sowie den OpenAccess und Selbstpublikationsbestrebungen der Universitäten, andererseits aber eine deutliche Unterstützung für die Positionen des Börsenvereins des deutschen Buchhandels, der im Grunde OpenAccess als existenzbedrohend ansieht.

Daher einige klare Fragen:
- Sollten alle Veröffentlichungen aus Forschungsprojekten die mit Steuergeldern finanziert werden im Sinne des Open Access nach spätestens sechs Monaten frei und kostenfrei für alle deutschen/europäischen Wissenschaftler und Studenten zugänglich sein?
- Wie gedenken Sie die Chancen in der Bildung durch den Einsatz neuer Medien, insbesondere auch OpenAccess zu verbessern?
- Wie stehen Sie zu den Forderungen des sog. "Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft" im Bezug auf eine Novellierung des Urheberrechts?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Schlenker,

vielen Dank für Ihre Anfrage auf abgeordnetenwatch.de, die ich gerne beantworte.

Ihre erste und letzte Frage zur freien und kostenfreien Verfügung von Veröffentlichungen aus Forschungsprojekten und den Bezug zum Urheberrecht bzw. eine Reform dieses Bereiches würde ich gerne zusammen beantworten.

Urheberrecht und hier die Frage des Open Access sind Themen, die nicht nur auf deutscher sondern auch auf europäischer und internationaler Ebene diskutiert werden. Dies ist notwendig, weil die Parameter für die gesetzliche Regelung dieser Fragen weitgehend auf europäischer und internationaler Ebene festgelegt werden.

Diese Diskussion gibt Wissenschaftlern, Wissenschaftsverlagen und Forschungsinstitutionen die Gelegenheit, Vorschläge über mögliche Regelungen auf den Tisch zu legen. Auch die laufende Umfrage des Bundesministeriums der Justiz gerade zu diesem Themenkomplex gibt den Beteiligten die Gelegenheit, sich auch hier mit Vorschlägen zu positionieren.

Mit dem zweiten Korb zur Novellierung des Urheberrechtes wurden aus bildungs- und forschungspolitischer Sicht wichtige Verbesserungen erreicht, beispielsweise die Sicherung der Online-Leseplätze und der Kopiendirektversand. Dennoch besteht gerade aus Sicht von Bildung, Wissenschaft und Forschung weiterer patent- und urheberrechtlicher Reformbedarf.

Notwendig ist ein „dritter Korb“ für Bildung, Wissenschaft und Forschung, der den zentralen Anforderungen an ein bildungs- und wissenschaftsfreundliches Urheber- und Patentrecht gerecht werden muss.

Auf Initiative der SPD-Bundestagsfraktion hat der Ausschuss für Bildung und Forschung bei der Verabschiedung des zweiten Korbes zur Novellierung eine Entschließung verabschiedet, derzufolge möglichst rasch die Arbeiten an einem solchen dritten Korb zur Novellierung des Urheberrechtes – einem Korb für die Belange von Bildung, Wissenschaft und Forschung in der Wissens – und Informationsgesellschaft – aufzunehmen sind.

Aus bildungs- und forschungspolitischer Sicht ist bei der Prüfung eines dritten Korbes zur Novellierung des Urheberrechtes insbesondere zu prüfen, wie das – auch international inzwischen immer nachhaltiger eingeforderte – Prinzip eines freien und für die Nutzer im Regelfall kostenlosen Zugangs zu mit öffentlichen Mitteln produziertem Wissen (Open Access) auch in Deutschland festgeschrieben werden kann. Damit könnte die Chance eröffnet werden, dass auf der Grundlage des Open-Access-Prinzips innovative, attraktive und elektronischen Umgebungen und angemessene Organisations- und Geschäftsmodelle für Publikation und Distribution von Wissen entstehen, die auch Verlagen und der gesamten Informationswirtschaft neue Möglichkeiten zur Erschließung von Publikations- und Distributionsmärkten bieten.

Darüber hinaus sollte - wie dies auch der Bundesrat im Rahmen der parlamentarischen Beratung zum zweiten Korb gefordert hat - ein Zweitverwertungsrecht für Urheber von wissenschaftlichen Beiträgen geprüft werden, die überwiegend im Rahmen einer mit öffentlichen Mitteln finanzierten Lehr- und Forschungstätigkeit entstanden sind. In den USA („government purpose license“) und Großbritannien („crown copyright“) können Urheber, die bei aus Steuermittel finanzierten Einrichtungen beschäftigt sind, Nutzungsrechte an Verlage nur eingeschränkt übertragen. Im Rahmen des Prüfauftrages ist dieser internationale Vergleich zu berücksichtigen und sind ebenfalls die entsprechenden Umsetzungsmöglichkeiten hinsichtlich des deutschen Urheberrechts zu überprüfen.

Ihre zweite Frage berührt einen ganz wichtigen Punkt der Entwicklung zur Informations- und Wissensgesellschaft. Sie stellt das Recht am geistigen Eigentum in den Mittelpunkt gesellschaftspolitischer Fragen und auch konfliktreicher Auseinandersetzungen aufgrund unterschiedlicher Interessen von Kreativen, Verlagen, Institutionen sowie der Nutzerinnen und Nutzer. Dies gilt für eine moderne Bildungs- und Innovationspolitik in doppelter Weise, da der Zugang zu Informationen und Wissen zu fairen Bedingungen eine Grundvoraussetzung für ein qualitatives Bildungssystem wie ein leistungsfähiges Innovationssystem darstellt.

In der Informations- und Wissensgesellschaft gehört Informationskompetenz zu den Schlüsselkompetenzen individueller Handlungsfähigkeit und Autonomie. Wissen und Information effektiv zu recherchieren, kritisch zu bewerten, analytisch zu verarbeiten und zielorientiert zu nutzen, gewinnt unter den Bedingungen der zunehmenden Vielfalt und auch Kurzlebigkeit von Information immer mehr an Bedeutung.

Die Vermittlung von Informationskompetenz muss daher in den Lehrplänen der Schulen sowie in der Lehrerausbildung angemessen Berücksichtigung finden.

Hierfür haben aufgrund der Zuständigkeit primär die Länder Sorge zu tragen. Da bildungspolitische Herausforderungen nur selten an landespolitischen Grenzen Halt machen, verstärkt sich auch der Bedarf an übergreifenden, einheitlichen Handlungsrahmen.

Für die SPD ist klar: Wir brauchen eine nationale Bildungsoffensive von
Bund, Ländern und Kommunen. Dabei müssen die verschiedenen Ebenen, also
Bund, Länder und Kommunen, zusammenarbeiten statt zu konkurrieren.

Wir wollen im Grundgesetz die Voraussetzungen dafür schaffen, dass eine solche Zusammenarbeit möglich ist. Das Kooperationsverbot im Grundgesetz, das es Bund und Ländern verbietet, in der Schulpolitik zusammenzuarbeiten, ist nicht zeitgemäß und deshalb überholt. Notwendig ist eine Bildungsoffensive, die selbstverständlich die grundgesetzlichen Zuständigkeiten von Bund und Ländern berücksichtigt.

Die SPD wird die Weiterentwicklung und Verbesserung von bundeseinheitlichen Bildungsstandards weiter vorantreiben.

In dem Zusammenhang ist aus bildungs- und forschungspolitischer Sicht bei der Prüfung eines dritten Korbes zur Novellierung des Urheberrechtes insbesondere auch zu prüfen, wie die Wiedergabe von Werken an elektronischen Leseplätzen neben öffentlichen Bibliotheken, Museen und Archiven auch in Bildungseinrichtungen ermöglicht werden kann, wozu die Urheberrechts-Richtlinie die Möglichkeit eröffnet.

Dies ist aus unserer Sicht unerlässlich, um Bildungseinrichtungen, deren Bildungsauftrag unzweifelhaft ist, nicht unverhältnismäßig von der dynamischen technologischen Entwicklung abzukoppeln und deren Nutzerinnen und Nutzern moderne Nutzungsmöglichkeiten zu verwehren.

Mit freundlichen Grüßen

Hubertus Heil

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