Frage an Horst Becker von Andreas S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Guten Tag Herr Becker,
sie wollen ein Wahlrecht schon ab 16 Jahre für die Landtagswahl einführen.
Meine Einschätzung ist, dass viele in dem Alter noch nicht die nötige Reife haben um wirklich wichtige Entscheidungen zu treffen. Das passt auch nicht mit dem zusammen, dass wir unsere "Kinder" im zweifelsfall bis zum 27 Lebensjahr finanzieren müssen.
Leider habe ich im Internet keine Argumente gefunden warum das Wahlrecht schon ab 16 gelten soll.
Können sie mir die Argumente liefern?
Sehr geehrter Herr Schüchter,
zunächst einmal vielen Dank für Ihre Anfrage.
Die Absenkung des aktiven Wahlrechts auf 16 Jahre ist ein Anliegen der Grünen, dass wir in unser Wahlprogramm aufgenommen haben. In Übereinstimmung mit der SPD wurde es auch im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Dafür gibt es aus unserer Sicht gute Gründe:
Zunächst einmal ist es eine grundsätzliche Frage des Demokratieverständnisses, dass alle Bürgerinnen und Bürger ihr Wahlrecht ausüben dürfen. Das Argument, dies könnten junge Menschen erst mit Erreichen der Volljährigkeit auf Grund der damit einhergehenden Reife verantwortungsbewusst wahrnehmen, wurde bereits in vielen Ländern und Regionen widerlegt. Viele junge Menschen möchten schon früher mitbestimmen und fühlen sich durch die bisherigen Einschränkungen benachteiligt. Diesen interessierten Mitbürgerinnen und Mitbürgern soll nun die Chance gegeben werden, sich mit Sachverhalten und Personen im Rahmen einer Wahl auseinander zu setzen und zu entscheiden, wem sie - gemäß ihrer Verantwortung - ihre Stimme geben.
Das Interesse für Politik und die gestalterischen Möglichkeiten rührt bei der jungen Generation daher, an Entscheidungsprozessen, die sie und ihr Leben maßgeblich in ihrer Zukunft beeinflussen werden, nicht aktiv mitarbeiten zu können. Insofern ist es außerdem eine Frage der Generationengerechtigkeit, dass verschiedenste Altersgruppen mittels einer Wahl oder eines Referendums zu ihren politischen Meinungen befragt werden.
Gestützt werden die Bestrebungen nicht zuletzt von der UN-Konvention für die Rechte der Kinder, die auch diesen Bevölkerungsgruppen ein aktives Wahlrecht zugesteht und dafür plädiert, ihnen die Verantwortung schon früh an die Hand zu geben.
Schließlich ist die nun angekündigte Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre nur eine Erweiterung der bisherigen Lösung. Bereits bei Wahlen auf kommunaler Ebene dürfen 16-jährige wählen gehen. Dieses Recht sollen sie in Zukunft auch für die Landtagswahlen erhalten.
Mit der Wahrnehmung der erweiterten Beteiligungsmöglichkeiten geht selbstverständlich die Notwendigkeit einher, dass das soziale Umfeld aus Schule und Elternhaus die Themen aufgreift und eine intensive Auseinandersetzung fördert.
Wer wählen geht, zeigt, dass er Demokratie lebt. Deshalb ist die Reform des Wahlrechts ein sinnvoller Schritt, die Jugend an "ihre" Zukunft heranzuführen und mitentscheiden zu lassen.
Ich hoffe, Ihre Fragen ausreichend beantwortet zu haben und möchte mich für die verspätete Antwort vielmals entschuldigen.
Mit freundlichen Grüßen,
Horst Becker
MdL, Bündnis 90/die Grünen