Frage an Hiltrud Lotze von Andreas J. bezüglich Lobbyismus & Transparenz
Guten Tag,
würden Sie bitte erklären inwieweit ein Lobbyregister in der Causa Nüßlein helfen würde?
Auch wenn Herr Nüßlein wohl nicht nach §331 StGB verurteilt wird (auch nicht nach §332 StGB) und ich wohl zu den wenigen gehöre, die für 2020 schon ihre Steuererklärung eingereicht haben, wesswegen eine vorsätzliche Steuerhinterziehungsabsicht auch nicht rechtskräftig zu beweisen ist, bleibt für Normalbürger wie mich genau dieser Eindruck von der Vorteilsnahme im Amt und der versuchten Steuerhinterziehung bestehen.
Ein (auch von meinen Steuergeldern) bezahlter Amtsträger streicht "zufällig" Provision für ein von ihm angebahntes Geschäft ein, was natürlich nur "zufällig" anderen Angeboten vorgezogen wurde und untergräbt dann auch noch durch windige Konstruktionen einer Beratungsfirma deren Geschäftsführer "zufällig" eben jener Mandatsträger ist die Steuerzahlermoral?
Da kann man den Reichsbürgern und sonstigen Querulanten ja gleich die Molotw-Coktails mischen.
Sehr geehrter Herr Janowitz,
vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihr Interesse an meiner Arbeit.
Nach jahrelangem Widerstand lenkte die Union am 25. März 2021 ein und einigte sich mit der SPD-Fraktion auf ein Lobbyregister (Drucksache 19/27922, URL: https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/279/1927922.pdf). Es schafft wichtige Transparenz über die Einflussnahme auf Parlament und Regierung. Konkret wird eine Registrierungspflicht als eine Art „Lobbyregister“ für diejenigen geschaffen, die Interessenvertretung gegenüber dem Deutschen Bundestag ausüben und dabei im demokratischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess mitwirken. Zudem werden Interessenvertreter*innen verpflichtet, sich einen Verhaltenskodex zu geben, der Grundsätze integrer Interessenvertretung definiert und ein öffentliches Rügeverfahren bei Verstößen vorgibt. Auch wurde ein Ordnungswidrigkeitstatbestand bei Verstößen gegen die Registrierungspflicht eingeführt.
Die sogenannte „Maskenaffäre“ um den ehemaligen CSU-Abgeordneten Georg Nüßlein hätte das Lobbyregister jedoch kaum verhindern können. Nüßlein hatte der Bundesregierung in der Coronakrise Geschäfte mit medizinischen Masken vermittelt. Um Fälle wie diesen künftig zu verhindern, wurden nachfolgend auch die Regeln für Abgeordnete geändert.
Am 26. März 2021 hat die SPD-Bundestagsfraktion gegenüber der Union scharfe Transparenz-Regeln für Abgeordnete durchgesetzt. Nennenswerte Einkünfte aus Nebentätigkeiten, Unternehmensbeteiligungen und Aktienoptionen müssen künftig auf Euro und Cent veröffentlicht werden. Unternehmensbeteiligungen werden bereits ab 5 Prozent (statt bisher ab 25 Prozent) veröffentlicht.
Abgeordnete dürfen ihre Mitgliedschaft im Bundestag nicht für geschäftliche Zwecke missbrauchen und sich nicht für Lobbytätigkeit und Vorträge bezahlen lassen. Verstöße werden mit hohen Bußgeldern sanktioniert. Die Strafnorm zur Bestechung und Bestechlichkeit von Abgeordneten wird deutlich verschärft. Abgeordnete dürfen keine Spenden annehmen.
Die Regeln im Einzelnen:
1. Anzeigepflichtige Einkünfte aus Nebentätigkeiten und Unternehmensbeteiligungen werden künftig betragsgenau (auf Euro und Cent) veröffentlicht. Einkünfte sind künftig anzeigepflichtig, wenn sie im Monat den Betrag von 1.000 Euro oder bei ganzjährigen Tätigkeiten im Kalenderjahr in der Summe den Betrag von 3.000 Euro übersteigen.
2. Beteiligungen sowohl an Kapitalgesellschaften als auch an Personengesellschaften werden künftig bereits ab 5 Prozent (bislang: 25 Prozent) der Gesellschaftsanteile angezeigt und veröffentlicht.
3. Auch Einkünfte aus anzeigepflichtigen Unternehmensbeteiligungen (z.B. Dividenden, Gewinnausschüttungen) werden anzeige- und veröffentlichungspflichtig.
4. Aktienoptionen werden künftig anzeige- und veröffentlichungspflichtig sein und zwar unabhängig von der Frage, ob sie einen bezifferbaren Wert haben. Von der Anzeigepflicht sollen auch vergleichbare Finanzinstrumente umfasst sein.
5. Von Dritten bezahlte Lobbytätigkeit von Bundestagsabgeordneten gegenüber der Bundesregierung oder dem Bundestag wird gesetzlich verboten. Fragen der konkreten Abgrenzung und Definition müssen noch im Gesetzgebungsprozess geklärt werden. Ehrenamtliche Tätigkeiten gegen Aufwandsentschädigung, etwa im Vorstand eines Vereins, sollen erlaubt bleiben, sofern die Aufwandsentschädigung verhältnismäßig ist und eine noch zu bestimmende Grenze nicht überschreitet.
6. Honorare für Vorträge im Zusammenhang mit der parlamentarischen Tätigkeit werden untersagt.
7. Der Missbrauch der Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag zu geschäftlichen Zwecken ist schon heute gemäß der Verhaltensregeln des Deutschen Bundestages unzulässig, führt aber zu keiner Sanktion. Wir werden das ändern und den Missbrauch künftig gesetzlich verbieten.
8. Abschöpfung verbotener Einnahmen: Wenn Abgeordnete ihre Mitgliedschaft missbrauchen oder gegen das gesetzliche Verbot der entgeltlichen Interessenvertretung für Dritte verstoßen und hierdurch Einnahmen erzielen, sind diese Einnahmen an den Bundestag abzuführen.
9. Für die Fälle der Nummer 5 bis 7 wird als zusätzliche Sanktion auch ein Ordnungsgeld verhängt.
10. Der § 108e StGB (Abgeordnetenbestechung und -bestechlichkeit) wird reformiert.
11. Die Entgegennahme von Geldspenden durch Abgeordnete wird verboten.
12. Die Koalition wird weitere Regelungen für mehr Transparenz im Parteiengesetz vorschlagen.
Für die SPD-Fraktion ist klar: Durch das Fehlverhalten von einigen Unionsabgeordneten ist Vertrauen zerstört worden. Mit neuen Einigung wird unsere parlamentarische Demokratie gestärkt. Ich bin erleichtert, dass wir uns nach vielen Jahren harter Diskussionen nun schnell auf diese deutlich verschärften Regeln für mehr Transparenz im Bundestag geeinigt haben und hoffe, dass damit fahrlässig verspieltes Vertrauen in Politik zurückgewonnen werden kann.
Mit freundlichen Grüßen
Hiltrud Lotze
Mitglied des Deutschen Bundestages