Frage an Hiltrud Lotze von Andrea S.
Hallo Frau Lotze,
als langjährige SPD Wählerin und Mutter von 3 Kindern interessiert uns !! Ihrer Position zu den Fragen Fracking, Endlager Suche unter Ausschluss des Standorts Gorleben, weitere Stromgewinnung aus Kohle und Förderung nachhaltiger Energiekonzepte, besonders.
Anscheinend stehen einzelne Abgeordnete der SPD nun nicht mehr hinter ihrer, vor den Wahlen , getroffenen Aussagen zu den oben genannten Themen. Abgesehen davon, dass wohl nur wenige der SPD Wähler mit der Bildung einer großen Koalition einverstanden waren, finde ich es unglaublich, wie die SPD - entgegen ihrer Wahlversprechen, nun in den Fragen Energiegewinnung/Energiepolitik "herumeiert" und NICHT klar Position dagegen bezieht ... Vielleicht glauben ja viele von den von uns gewählten Volksvertretern, dass das Wählergedächtnis so schlecht sei, dass gebrochene Wahlversprechen zu den nächste Wahlen vergessen sind - dem ist heute bestimmt nicht mehr so !! Auch unsere Kinder, als potentielle Wähler, nehmen regen Anteil am politischen Geschehen und registrieren diese Form von "passivem Wahlbetrug" sehr wohl - hoffen wir, dass aus der Enttäuschung über gebrochene Wahlversprechen nicht ein Heer von Nicht/Protest Wähler entstehen sondern verantwortungsvolle Wähler der anderen demokratischen Parteien, die sich sehr wohl auch NACH den Wahlen an Ihre Vor - Wahlaussagen erinnern und danach handeln!
Grüße aus Lüneburg nach Berlin !
Andrea Szymanski und Familie
Sehr geehrte Frau Szymanskis,
für Ihre Anfrage danke ich Ihnen. Da Ihre Fragen die gleichen Themen betreffen, wie die von Herrn Rhenisch, möchte ich Ihnen die gleiche Antwort geben.
Im Hinblick auf das Thema Fracking zeigte sich, nachdem das Gesetz am 07. Mai in den Bundestag eingebracht worden war, in den Anhörungen, besonders aber in den Gesprächen mit der Union, dass es notwendig ist, sich für die Klärung zentraler Fragen noch etwas Zeit zu nehmen, denn die Union ist noch nicht bereit ein sinnvolles und vernünftiges Gesetz zu verabschieden. Es gilt der Grundsatz: Gründlichkeit vor Schnelligkeit.
Zur Situation: Nach geltendem Recht ist Fracking zur Erdgasgewinnung in Deutschland derzeit erlaubt. Dabei wird nicht zwischen „konventionellem“ und „unkonventionellem“ Fracking differenziert. Mit dem von Umwelt- und Wirtschaftsministerium vorgelegten Regelungspaket soll das geändert werden. Die vorliegenden Gesetzentwürfe nehmen nun also endlich das in Angriff, was die schwarz-gelbe Vorgängerregierung nicht geschafft hat. Sie sind daher ein längst überfälliger und wichtiger Schritt.
Oberstes Ziel muss es dabei sein, die Umwelt und die Gesundheit der Menschen bestmöglich zu schützen. Für die SPD ist klar, dass der Schutz des Trinkwassers absoluten Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen genießen muss. Unkonventionelles Fracking zur Förderung von Schiefer- und Kohleflözgas zu wirtschaftlichen Zwecken ist derzeit nicht verantwortbar. Ob unkonventionelles Fracking überhaupt jemals eine Option sein kann, muss auch an Hand von wissenschaftlich begleiteten Probebohrungen sorgfältig und transparent geprüft werden.
Ein wesentlicher Knackpunkt in den Verhandlungen zwischen SPD und CDU/CSU ist die Frage, wer am Ende über den Einsatz von Fracking entscheidet: Der Deutsche Bundestag oder eine Expertenkommission (Altmaier-Kommission), wie sie vom Chef des Bundeskanzleramtes Peter Altmaier in das Gesetz geschrieben wurde. Meine und die Haltung der SPD-Fraktion ist eindeutig: Fracking ist eine Risikotechnologie, die wir nicht einer Expertenkommission und dem Ermessen von Landesbehörden überlassen dürfen. Das letzte Wort muss der Deutsche Bundestag haben.
Die Anzahl der vorgesehenen Probebohrungen muss auf das wissenschaftlich Notwendige begrenzt werden. Wir in der SPD meinen, zwei Probebohrungen sind ausreichend; die Union fordert eine deutlich höhere Zahl.
Gemäß dem Koalitionsvertrag müssen die Länder im Rahmen der Probebohrungen beteiligt werden. In den vorgenannten Punkten muss sich die Union bewegen.
Der Ball liegt jetzt bei der CDU/CSU, damit wir ein Gesetz bekommen, das dem Schutz des Menschen, der Natur und des Trinkwassers vollumfänglich gerecht wird.
Im Hinblick auf Gorleben leistet die „Endlagerkommission“ eindrucksvolle Arbeit unter schwierigsten Bedingungen. Denn eines ist klar, der Atommüll muss in Deutschland gelagert werden und hierfür brauchen wir einen absolut sichern und akzeptierten Standort. Die Kriterien für die Auswahl werden in der Kommission festgelegt werden. Ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass Gorleben diesen Kriterien nicht gerecht werden wird und deswegen als Endlagerstandort nicht in Frage kommt. Dass die SPD-Ministerin Hendricks es ernst meint mit der unvoreingenommenen Suche, zeigt sich auch darin, dass der Erkundungsbetrieb in Gorleben eingestellt wird.
Auch in Bezug auf die Klimaziele konnten wir als SPD einiges erreichen. Das man als kleinerer Partner einer Koalition nicht immer alles Wünschenswerte durchsetzen kann, ist klar. Aber ich halte es auch im Energie und Umweltbereich für entscheidend, dass wir als SPD an der Regierung beteiligt sind. Denn sonst sähe es für Klimaschutz und Energiewende ganz schlecht aus, wie die vier Jahre schwarz-gelbe Regierung auf erschreckende Weise gezeigt haben.
Deswegen lassen Sie mich bezüglich Ihrer Interpretation der SPD-Haltung anfügen: Wahlaussagen sind Zielbestimmungen, für die man bei den Wählerinnen und Wählern um Zustimmung und Mehrheiten wirbt. Bekommt man die Zustimmung nicht, kann man seine Ziele nicht zu 100 Prozent umsetzen, sondern muss in einer Koalition Kompromisse eingehen, um auf diese Weise so viel wie möglich umzusetzen. Der Kompromiss ist das Wesen der Politik.
Anders herum gesagt: Hätte die SPD bei der letzten Bundestagswahl die absolute Mehrheit erhalten, sähe heute vieles besser aus. Dann könnten wir unsere politischen Ziele 1:1 umsetzen. Dennoch kann sich sehen lassen, was wir bisher in dieser Koalition erreicht haben, wie z.B. den Mindestlohn.
Und, ja auch ich bin nicht durchgehend zufrieden mit den energiepolitischen Beschlüssen des Koalitionsgipfels. Die Union hat mit ihrer Ablehnung der Kohleabgabe bewirkt, dass die Erreichung der Klimaziele nun deutlich teurer wird. Die Zusatzkosten bis 2020 belaufen sich auf mehr als zehn Milliarden Euro. Der Stromsektor erbringt nur einen Teil der erforderlichen 22 Millionen Tonnen CO2-Minderung. Deswegen sollte allen Beteiligten klar sein, auch der Union, wenn sie ehrlich ist, dass der Kohlestromsektor nicht auf alle Ewigkeit von seiner Klimaschutzpflicht verschont werden kann – ganz im Gegenteil!
Im Streit über die Kohleabgabe hat es viele Polemiken und unsinnige Behauptungen gegeben, wie zum Beispiel die Behauptung, 100.000 Arbeitsplätze seien durch die Einsparung von weiteren 22 Millionen Tonnen CO2 gefährdet. Solche Äußerungen sind Ausdruck politischer Unfähigkeit und Zukunftsverweigerung. Die CDU hat hier gewaltigen Aufholbedarf. Man kann nicht in Elmau beim G7 Gipfel die Klimakanzlerin geben und eine klimaneutrale Weltwirtschaft verkünden und gleichzeitig so tun, als ob das alles für die Kohleregionen in unserem Land nicht gilt.
Mit freundlichen Grüßen
Hiltrud Lotze