Frage an Hiltrud Lotze von Burckhard R.
Guten Tag Frau Lotze, abgesehen einmal davon, dass ich diese Koalition nicht gewünscht und gewählt habe, empfinde ich die Haltung der SPD nicht konform mit den Aussagen vor der BT- Wahl. Es hieß klar und deutlich kein Fracking, kein Endlager Gorleben, Ausstieg aus der Kohleverstromung, um nur diese zu nennen. Ich erwarte, dass die SPD zu ihren Grundaussagen zurückkehrt und die Mandatsträger frei ihrem Gewissen folgen. Es gibt kein imperatives Mandat und wenn noch so viele Probeabstimmungen inszeniert werden. Ich bin gespannt, wie Sie sich zu diesem Thema weiter verhalten, gerade auch im Hinblick auf 2017.
Mit besten Grüßen aus der Heimat
Burckhard Rhenisch
Sehr geehrter Herr Rhenisch,
für Ihre Anfrage danke ich Ihnen und möchte Ihnen folgendes Antworten.
Im Hinblick auf das Thema Fracking zeigte sich, nachdem das Gesetz am 07. Mai in den Bundestag eingebracht worden war, in den Anhörungen, besonders aber in den Gesprächen mit der Union, dass es notwendig ist, sich für die Klärung zentraler Fragen noch etwas Zeit zu nehmen, denn die Union ist noch nicht bereit ein sinnvolles und vernünftiges Gesetz zu verabschieden. Es gilt der Grundsatz: Gründlichkeit vor Schnelligkeit.
Zur Situation: Nach geltendem Recht ist Fracking zur Erdgasgewinnung in Deutschland derzeit erlaubt. Dabei wird nicht zwischen „konventionellem“ und „unkonventionellem“ Fracking differenziert. Mit dem von Umwelt- und Wirtschaftsministerium vorgelegten Regelungspaket soll das geändert werden. Die vorliegenden Gesetzentwürfe nehmen nun also endlich das in Angriff, was die schwarz-gelbe Vorgängerregierung nicht geschafft hat. Sie sind daher ein längst überfälliger und wichtiger Schritt.
Oberstes Ziel muss es dabei sein, die Umwelt und die Gesundheit der Menschen bestmöglich zu schützen. Für die SPD ist klar, dass der Schutz des Trinkwassers absoluten Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen genießen muss. Unkonventionelles Fracking zur Förderung von Schiefer- und Kohleflözgas zu wirtschaftlichen Zwecken ist derzeit nicht verantwortbar. Ob unkonventionelles Fracking überhaupt jemals eine Option sein kann, muss auch an Hand von wissenschaftlich begleiteten Probebohrungen sorgfältig und transparent geprüft werden.
Ein wesentlicher Knackpunkt in den Verhandlungen zwischen SPD und CDU/CSU ist die Frage, wer am Ende über den Einsatz von Fracking entscheidet: Der Deutsche Bundestag oder eine Expertenkommission (Altmaier-Kommission), wie sie vom Chef des Bundeskanzleramtes Peter Altmaier in das Gesetz geschrieben wurde. Meine und die Haltung der SPD-Fraktion ist eindeutig: Fracking ist eine Risikotechnologie, die wir nicht einer Expertenkommission und dem Ermessen von Landesbehörden überlassen dürfen. Das letzte Wort muss der Deutsche Bundestag haben.
Die Anzahl der vorgesehenen Probebohrungen muss auf das wissenschaftlich Notwendige begrenzt werden. Wir in der SPD meinen, zwei Probebohrungen sind ausreichend; die Union fordert eine deutlich höhere Zahl.
Gemäß dem Koalitionsvertrag müssen die Länder im Rahmen der Probebohrungen beteiligt werden. In den vorgenannten Punkten muss sich die Union bewegen.
Der Ball liegt jetzt bei der CDU/CSU, damit wir ein Gesetz bekommen, das dem Schutz des Menschen, der Natur und des Trinkwassers vollumfänglich gerecht wird.
Im Hinblick auf Gorleben leistet die „Endlagerkommission“ eindrucksvolle Arbeit unter schwierigsten Bedingungen. Denn eines ist klar, der Atommüll muss in Deutschland gelagert werden und hierfür brauchen wir einen absolut sichern und akzeptierten Standort. Die Kriterien für die Auswahl werden in der Kommission festgelegt werden. Ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass Gorleben diesen Kriterien nicht gerecht werden wird und deswegen als Endlagerstandort nicht in Frage kommt. Dass die SPD-Ministerin Hendricks es ernst meint mit der unvoreingenommenen Suche, zeigt sich auch darin, dass der Erkundungsbetrieb in Gorleben eingestellt wird.
Auch in Bezug auf die Klimaziele konnten wir als SPD einiges erreichen. Das man als kleinerer Partner einer Koalition nicht immer alles Wünschenswerte durchsetzen kann, ist klar. Aber ich halte es auch im Energie und Umweltbereich für entscheidend, dass wir als SPD an der Regierung beteiligt sind. Denn sonst sähe es für Klimaschutz und Energiewende ganz schlecht aus, wie die vier Jahre schwarz-gelbe Regierung auf erschreckende Weise gezeigt haben.
Und, ja, auch ich bin nicht durchgehend zufrieden mit den energiepolitischen Beschlüssen des Koalitionsgipfels. Die Union hat mit ihrer Ablehnung der Kohleabgabe bewirkt, dass die Erreichung der Klimaziele nun deutlich teurer wird. Die Zusatzkosten bis 2020 belaufen sich auf mehr als zehn Milliarden Euro. Der Stromsektor erbringt nur einen Teil der erforderlichen 22 Millionen Tonnen CO2-Minderung. Deswegen sollte allen Beteiligten klar sein, auch der Union, wenn sie ehrlich ist, dass der Kohlestromsektor nicht auf alle Ewigkeit von seiner Klimaschutzpflicht verschont werden kann – ganz im Gegenteil!
Im Streit über die Kohleabgabe hat es viele Polemiken und unsinnige Behauptungen gegeben, wie zum Beispiel die Behauptung, 100.000 Arbeitsplätze seien durch die Einsparung von weiteren 22 Millionen Tonnen CO2 gefährdet. Solche Äußerungen sind Ausdruck politischer Unfähigkeit und Zukunftsverweigerung. Die CDU hat hier gewaltigen Aufholbedarf. Man kann nicht in Elmau beim G7 Gipfel die Klimakanzlerin geben und eine klimaneutrale Weltwirtschaft verkünden und gleichzeitig so tun, als ob das alles für die Kohleregionen in unserem Land nicht gilt.
Mit freundlichen Grüßen
Hiltrud Lotze