Frage an Hiltrud Lotze von Ann-Kristin W. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrte Frau Lotze,
Zur Zeit beschäftigen wir uns im Politik-Unterricht mit dem transatlantischen Freihandelsabkommen. Die Sorge vieler Bürger, dass genveränderte Lebensmittel auf unseren Markt gelangen, scheint sehr berechtigt. Jede Seite müsse doch Kompromisse eingehen, um auf ein Ergebnis zu kommen. Nun meine Frage an Sie: Wie wird sich Ihrer Meinung nach die Situation auf unserem Lebensmittelmarkt verändern, wenn das Freihandelsabkommen beschlossen wird? Ist es möglich, dass genveränderte Lebensmittel auch in Deutschland in Umlauf geraten? Außerdem fragen wir uns, ob weiterverarbeitete, tierische Produkte kennzeichnungspflichtig sind, wenn die Tiere genverändertes Material durch das Futter zu sich genommen haben.
Vielen Dank für Ihre Antwort,
A. Windisch
Sehr geehrte Frau Windisch,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP mit besonderem Blick auf Lebensmittelsicherheit. Ob und welche Auswirkungen TTIP auf den Lebensmittelmarkt (und viele andere Bereiche des öffentlichen Lebens) haben wird, ist aktuell nicht abzuschätzen. Alle, die sich jetzt schon festlegen, handeln nicht seriös. Erst vor wenigen Tagen habe ich an einem Fachgespräch mit Rupert Schlegelmilch, dem für TTIP zuständigen Referatsleiter der Europäischen Kommission, teilgenommen. Er berichtete, dass bislang nur etwa ein Drittel der Themen verhandelt worden seien. Die Verhandlungen sind also bei weitem noch nicht abgeschlossen. Selbst die Kapitel, über die aktuell Einvernehmen besteht, sind nicht in Stein gemeißelt.
Ich möchte Ihnen jedoch gern die Positionen der SPD darlegen, die wir im Bundestag und auf EU-Ebene vertreten. Im Koalitionsvertrag haben sich CDU, CSU und SPD gemeinsam verpflichtet, sich auf EU-Ebene für eine Kennzeichnungspflicht einzusetzen für Produkte von Tieren, die mit gentechnisch veränderten Pflanzen gefüttert wurden. Aus Sicht der SPD ist eine solche Kennzeichnung längst überfällig. Mit großer Mehrheit lehnen Verbraucherinnen und Verbraucher gentechnisch veränderte Pflanzen auf dem Acker und im Essen ab. Deshalb müssen wir endlich für Transparenz und Wahlfreiheit sorgen.
Wir nehmen den zuständigen Bundesminister Christian Schmidt in die Pflicht, sich für entsprechende Regelungen auf EU-Ebene einzusetzen, und haben uns auch schon als Fraktion an die Kommission in Brüssel gewandt. Uns ist jedoch bewusst, dass dieser Weg kein leichter ist. Umso stärker setzen wir uns daher auf Bundesebene für eine rigide Kennzeichnungspflicht ein wie etwa das Label „Ohne Gentechnik“.
Grundsätzlich steht für uns fest: bestehende Schutzstandards in der EU – sei es nun Umweltschutz und Lebensmittelsicherheit, aber genauso Arbeitnehmerschutz oder die Förderung der kulturellen Vielfalt – dürfen durch TTIP, aber auch durch das kanadisch-europäische Freihandelsabkommen CETA, nicht abgesenkt werden. Da ist sich die SPD-Bundestagsfraktion einig.
Auch die sozialdemokratischen Abgeordneten im Europaparlament haben sich entsprechend positioniert. Im Handelsausschuss des Europaparlaments ist der niedersächsische SPD-Abgeordnete Bernd Lange der für TTIP zuständige Berichterstatter. Unter seiner Federführung wurde im Februar 2015 eine Resolution des Parlaments zu TTIP entworfen, die die oben genannten Punkte aufgreift und als Voraussetzung für eine Zustimmung benennt. Noch vor der Sommerpause wird das Europäische Parlament über diese Resolution abstimmen. Dass das Europaparlament eine kritische und unabhängige Arbeitsweise pflegt, hat das so genannte Anti-Piraterie-Abkommen ACTA bespielhaft gezeigt. Das Abkommen wurde seinerzeit vom Europaparlament abgelehnt.
Das stimmt mich optimistisch, dass TTIP – wann und in welcher Form es auch immer kommen mag – bestehende Schutzstandards nicht unterlaufen wird und die Parlamente auch weiterhin die Kompetenz haben, neue Gesetze zum Verbraucherschutz zu erlassen.
Gern komme ich auch an Ihre Schule, um mit Ihnen gemeinsam zu diskutieren – zu TTIP oder anderen Themen. Wenden Sie sich dafür am besten direkt an mein Büro, dann können wir schnell und unkompliziert einen Termin finden.
Mit freundlichen Grüßen,
Hiltrud Lotze