Frage an Heribert Hirte von Michael B. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Hirte,
die Frage überschneidet sich mit ein paar Rubriken, ich hoffe die richtige erwischt zu haben.
Herr Amthor ist nicht der erste und bestimmt auch nicht der letzte Abgeordneter der sich nicht an geltendes Recht hält.
Es fällt nur auf das sich einige immer „größere Dinger“ erlauben und selten hat es Konsequenzen für die einzelnen.
800 Mio. für Drohnen die in der EU keine Zulassung bekommen können.
700 Mio. Vertragsstrafen für eine Maut die rechtlich nicht einwandfrei war.
Die vielen Illegalen Nebenbeschäftigungen im Laufe der Zeit.
Mangelhafte Regeln gegen Korruption.
Welchen Plan verfolgt der Rechtsausschuss hier um die Strafbarkeit der Abgeordneten wieder in Einklang mit den Vergehen zu bringen?
Wie wollen Sie als Stv. Vorsitzender des „Ausschusses für Recht und Verbraucher Schutz“ das Vertrauen zwischen Steuerzahler und Politik wieder herstellen?
Wie stellen Sie als Abgeordneter vor, wie mit den großen Verstößen umgegangen werden sollte aber auch mit den kleinen.
Ich sehe auch gerade die Liste Ihrer Neben Beschäftigungen, wie wollen Sie gute Parlamentsarbeit leisten wenn Sie diverse neben Tätigkeiten haben.
Das bring mich wieder zum Lobbyismus, wie wollen Sie als Abgeordneter hier mehr Transparenz in dieses Thema bringen und wie soll das Veröffentlicht werden welcher Abgeordneter oder Minister… (M/W/D) sich mit welcher Organisation bzw. dessen Vertreter getroffen oder Abgesprochen hat.
Freundliche Grüße
M. B.
Sehr geehrter Herr Bennison,
ich schätze einige der von Ihnen angesprochenen Punkte anders als Sie ein und möchte Ihnen auch gerne erläutern, weshalb:
Zunächst stimme ich Ihrer pauschalen Aussage, dass sich "einige immer „größere Dinger“ erlauben“ - sie meinen PolitikerInnen - dezidiert nicht zu. Diese Art an Pauschalität trägt zur Politikverdrossenheit bei. Sie vermengen zudem Entscheidungen der Bundesregierung mit Vorwürfen gegen einzelne Abgeordnete. Und Abgeordnete machen im Übrigen genauso Fehler wie jeder andere Mensch auch.
An der Diskussion um ein mögliches Lobbyregister beteilige ich mich aktiv (siehe beispielsweise hier: https://twitter.com/HHirte/status/1284517806894178304). Diesem stehe ich offen gegenüber, möchte aber durch einen ganzheitlichen Ansatz gewährleistet sehen, dass z.B. auch die anwaltliche Interessenvertretung, und vor allem auch solche gegenüber der Verwaltung, entsprechend aufgenommen würde. Der Widerspruch zum rechtsstaatlich garantierten Anwaltsgeheimnis ist eine konkurrierende Interessenlage, für die es bislang noch keine mehrheitlich konsentierte Lösung gibt.
Auch beobachte ich mit Sorge, wie z.B. auf die Justiz Einfluss genommen wird, und vielen gar nicht klar ist, dass Lobbyeinflüsse hier gefährlicher, weil weniger sichtbar, sind. Die Prozessführung im Zusammenhang mit dem sog. VW-Abgasskandal wirft hier z.B. viele Fragen auf.
Sofern Sie sich meine Nebentätigkeiten - diese sind unter diesem Link zu finden - richtig angesehen haben, erkennen Sie, dass ich weiterhin in geringem Umfang als Professor an der Universität Hamburg tätig bin. Andere Dinge, insbes. Veröffentlichungen, hängen damit zusammen. Diese Tätigkeit umfasst die wissenschaftliche Beschäftigung - einschl. Vorlesungen - vornehmlich mit Bereichen, die ich auch als Berichterstatter im Rechtsausschuss bearbeite. Das sind insbesondere das Wirtschafts- und das Insolvenzrecht. Ich glaube kaum, dass die vertiefte inhaltliche Beschäftigung mit den verschiedenen Sachverhalten, zu nennen wären hier aktuell etwa das Kapitalmarktrecht (Stichwort Wirecard) oder das Personengesellschaftsrecht, dazu führen, dass meine "gute Parlamentsarbeit" geschmälert würde. Es ist vielmehr genau umgekehrt: Das Parlament profitiert, wenn man so will unentgeltlich, von meinem fachlichen Sonderwissen.
Übrigens werden die Bezüge, die ich von der Universität Hamburg erhalte, auf meine Abgeordnetenbezüge angerechnet, so dass ich verringerte Diäten erhalte.
Zudem setze ich meine beruflichen Tätigkeiten trotz der damit erst einmal verbundenen Mehrbelastung vor allem auch deshalb fort, um nicht in irgendeine Abhängigkeit von meiner Partei zu geraten. Denn dadurch ist es mir jederzeit möglich, in meinen zivilen Beruf als Universitätsprofessor zurückzukehren. Würde ich die Bande abschneiden, wie Sie das als richtig suggerieren, wäre ich vollends von den Entscheidungen meiner Partei, mich wieder aufzustellen, abhängig.
Schließlich hat sich der Kollege Amthor nach aktuellem Stand an keiner Stelle „rechtswidrig“ verhalten ( siehe: https://www.spiegel.de/politik/deutschland/philipp-amthor-generalstaatsanwaltschaft-stellt-verfahren-ein-a-8fb6555b-53d5-43c0-a29f-4521eca0cb20 ). Er hat auch nach meiner Einschätzung politische Fehler begangen und daraus auch schon persönlich Konsequenzen gezogen.
Welche Nebentätigkeit politisch "akzeptabel" ist, ist vor allem eine Frage der Beurteilung durch die Öffentlichkeit - wie man gerade hier sieht. Und gerade mit Blick auf Ihre Frage nach meinen Nebentätigkeiten: Ich finde, dass es ein Unterschied ist, ob jemand einen jahrzehntelang ausgeübten Beruf (begrenzt) während des Mandats fortsetzt oder das Mandat zur Generierung neuer Tätigkeiten nutzt.
Mit Grüßen aus Köln
Heribert Hirte