Frage an Heribert Hirte von Katja W. bezüglich Menschenrechte
Sehr geehrter Herr Hirte,
Ich schreibe Ihnen, da ich Sie um Zustimmung zum Selbstbestimmungsgesetz, welches das sogenannte Transsexuellengesetz ersetzen soll, bitten möchte.
Für die allermeisten Menschen in Deutschland wird dieses Gesetz nichts ändern. Die allermeisten Menschen in Deutschland fühlen sich wohl in dem Geschlecht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Für diese Menschen ist es vollkommen gleich, ob das Selbstbestimmungsgesetz verabschiedet wird oder ob es beim veralteten, großenteils verfassungswidrigen TSG bleibt. Aber für ein paar Menschen – zum Beispiel meinen Partner – würde dieses Gesetz alles bedeuten. Sie müssten sich nicht mehr demütigenden Untersuchungen unterziehen und tausende Euro Gerichtskosten zahlen, um den Staat von etwas zu überzeugen, das ohnehin nur sie selbst wissen können.
Das Selbstbestimmungsgesetz könnte diese Eingriffe in ihre Intimsphäre und die finanziellen Belastungen durch einen einfachen Antrag ersetzen. Daher möchte ich Sie bitten, bei Abstimmungen, die das Selbstbestimmungsgesetz betreffen, für dieses zu stimmen; ich werde Ihre Entscheidung in dieser Sache bei meiner nächsten Wahlentscheidung berücksichtigen und verbleibe mit freundlichen Grüßen
K. W.
Sehr geehrte Frau Wiesner,
haben Sie vielen Dank für Ihr engagiertes Schreiben an mich.
Wir haben in der angesprochenen Plenardebatte nicht nur den Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Transsexuellengesetzes und Einführung des Selbstbestimmungsgesetzes (SelbstBestG), eingebracht von Bündnis90/Die Grünen, debattiert, sondern auch einen Antrag Antrags der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Fremdbestimmte Operationen an trans- und intergeschlechtlichen Menschen – Aufarbeiten, Entschuldigen und Entschädigen“ sowie einen Gesetzesentwurf der FDP Fraktion zur Stärkung der geschlechtlichen Selbstbestimmung.
Lassen Sie es mich vorweg stellen: Ich halte das bestehende Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen (Transsexuellengesetz – TSG) für überarbeitungsbedürftig bzw. in Gänze durch eine neue Norm ersetzbar. Die Federführung eines solchen Gesetzes würde vermutlich beim Ausschuss für Inneres und Heimat liegen, dem ich nicht angehöre. Ich schließe mich aber den Fachpolitikern meiner Fraktion an, die schnellstmöglich den von der Bundesregierung bereits angekündigten Gesetzesentwurf fordern, der das Verbot von geschlechtsangleichenden Operationen auf den Weg bringt und sie nur dort erlauben, wo sie medizinisch, also aus gesundheitlichen Gründen, unbedingt notwendig sind. So steht es auch im Koalitionsvertrag auf Seite 21. Wir werden auch die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hierzu umsetzen (https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2017/10/rs20171010_1bvr201916.html;jsessionid=0039B2540138D4205AA7D21868465A09.1_cid392). Das haben wir im Übrigen auch bereits mit der Angleichung des Personenstandsgesetzes zum 1. Januar 2019 getan, wo das dritte Geschlecht bereits normiert wurde.
Dass dieser Schritt des Verbotes notwendig ist, haben die parlamentarischen Beratungen und Anhörungen von Sachverständigen im Zuge der Normierung des dritten Geschlechts offen aufgezeigt. Es ist nicht leicht, als Nichtbetroffener den gesamten identitätsbildenden Prozess eines transidenten Menschen nachzuvollziehen. Es ist eine Entwicklung, die sehr tief in das Bewusstsein und die Körperlichkeit eines Menschen eingreift, die die Familie betrifft, auch Freunde und das soziale Umfeld. Genau deshalb ist es wichtig, dass es eine gute fachkundige Begleitung gibt. Ich bin der Überzeugung, dieses Thema ist zu wichtig, um aufgrund eines parteipolitischen Kleinkleins die vorliegenden Oppositionsanträge oder Gesetzesentwürfe beiseite zu schieben. Wir finden dort einige Gedanken und Ansätze, die in den anstehenden Beratungen im parlamentarischen Verfahren sicherlich hilfreich sein werden. Sie haben sicherlich Verständnis, dass ich diesem Schreiben nicht ausführlich auf alle noch diskutablen Punkte eingehen kann. Aber aus juristischer Perspektive muss ich doch betonen, dass Teile der vorliegenden Oppositionsanträge den Begriff der Selbstbestimmung aus rechtlicher Sicht überdehnen.
Für eine Novellierung des TSG oder die Neuauflage eines Gesetzes zeichnet sich aber doch an dieser konkreten Stelle die eigentliche Herausforderung für den Gesetzgeber ab; es muss ein Spagat gelingen, übergriffige körperliche und psychologische Eingriffe in Kindesjahren zu unterbinden, gleichzeitig aber die staatliche Fürsorge für betroffene Menschen zu gewährleisten und auch für rechtliche Kongruenz zu sorgen.
Das Bundesverfassungsgericht stellt in dem Urteil zum dritten Geschlecht fest, dass das Geschlecht maßgeblich für die Zuweisung von Rechten und Pflichten und für die familiäre Zuordnung sei. Es sei ein berechtigtes Anliegen des Gesetzgebers, das Auseinanderfallen von rechtlichem und empfundenem Geschlecht zu vermeiden. Es sagt auch, dass der Gesetzgeber das Recht habe, objektivierte Kriterien für den Nachweis festzulegen. Das Bundesverfassungsgericht legt Wert auf die Validität und die Beweiskraft der Personenstandsregister, der einzigen derartigen Register in Deutschland, die Beweiskraft haben. Daneben muss ein neues Gesetz aus Sicht der CDU/CSU-Bundestagsfraktion auch die Bedürfnisse transidenter Menschen erfüllen. Ein Prozess der Selbstfindung sollte von entsprechend ausgebildeten Personen begleitet werden, die mit Kenntnis über psychische und somatische Vorgänge Transpersonen dabei helfen, Entscheidungen im vollen Ernst zu treffen, auch im Bewusstsein von Schwierigkeiten und davon, wie sie überwunden werden können. Denn eine solche Entscheidung soll das Leben betroffener Personen zum Besseren verändern.
Ich bin davon überzeugt, dass es gelingen kann, im konstruktiven Austausch zwischen den interessierten Fraktionen zu einem guten Ergebnis zu kommen. Die Diskussion im Plenum hat bis auf einen einzigen Redebeitrag dies auch fraktionsübergreifend verdeutlicht.
Es grüßt Sie freundlich
Heribert Hirte