Frage an Heribert Hirte von Michael K. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Hirte, die Zeitumstellung bringt laut einem Großteil der Ärzte gesundheitliche Probleme mit sich. Wäre es gerade jetzt nicht ganz wichtig die Zeitumstellung mit sofortiger Wirkung, also sprich zu diesem Wochenende, aufzuheben? Auch mir bereitet jedes Jahr die Zeitumstellung besonders Winter- auf Sommerzeit gesundheitliche Probleme, u.a. extreme Schlafstörungen, häufigere Infekte nach der Zeitumstellung, Herzprobleme, Magen-/Darmprobleme usw.. Und gerade in diesen extrem schweren (Corona)Zeiten benötigen die Ärzte und Krankenhäuser jede nur mögliche Entlastung. Und die sofortige Abschaffung der Zeitumstellung könnte da einen großen Teil zu beisteuern.
Sehr geehrter Herr Kliche,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage, die ich Ihnen gerne kurz beantworten möchte.
Ihre Idee klingt verlockend, weil einleuchtend und scheinbar schnell umsetzbar. Aber auch, wenn Sie möglicherweise Recht haben und die Zeitumstellung in unserer derzeitigen Krisenlage nicht zur eigentlich benötigten Entlastung beitragen sollte, muss ich Ihnen sagen, dass es nicht so einfach ist, wie es auf den ersten Blick aussieht.
Vielleicht erinnern Sie sich noch: Die EU-Kommission hatte 2018 ein Konsultationsverfahren mit dem Ziel durchgeführt, die Sichtweisen der Bürger, Interessengruppen und Mitgliedstaaten zu der derzeitigen Regelung der Zeitumstellung zu erfahren. Eine klare Mehrheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatte sich für eine Abschaffung ausgesprochen (84 % von ca. 4,6 Mio. Teilnehmern, davon ca. 3 Mio. aus Deutschland, von denen sich ebenfalls 84 % für die Abschaffung ausgesprochen haben.). Allerdings kann man nicht behaupten, diese Umfrage sei repräsentativ. Repräsentativ wäre die Umfrage gewesen, wenn aus jedem Mitgliedsstaat der Europäischen Union ein bestimmter Prozentsatz, z.B. 5%, an der Umfrage teilgenommen hätte und gleichzeitig sichergestellt wäre, dass es zu keiner Doppelstimmabgabe kommt. Beides ist nicht der Fall gewesen.
Danach wurde festgehalten, dass jeder Mitgliedstaat in Eigenregie bestimmen dürfe, ob die Zeitumstellung beibehalten werden sollte oder nicht. Doch diese Wahlmöglichkeit birgt das Risiko, dass in benachbarten Staaten unterschiedliche Zeiten (Sommer- oder Winterzeit) gelten. Aus unserer deutschen Sicht ist zentral, dass es bei einer Harmonisierung der Zeit in Europa bleibt. Als überzeugter Europäer finde ich, dass es innerhalb der EU keine Zeitflicken geben darf! Persönlich spricht aus meiner Sicht manches für die Beibehaltung der Sommerzeit über das ganze Jahr. Diese hätte viele praktische Vorteile: Abends wäre es eine Stunde länger hell. Die Menschen könnten dann auch in der kalten Jahreszeit länger im Freien aktiv sein, Kinder nach der KiTa oder der Schule (ja, auch die werden eines Tage wieder offen sein) länger im Hellen draußen spielen. Folgen wir aber nun Ihrem Vorschlag, die Zeitumstellung mit sofortiger Wirkung (also vor dem 29.3.2020) abzuschaffen, blieben wir bei der Winterzeit. Auch unter den EU-Mitgliedstaaten herrscht in dieser Frage übrigens keine Einigkeit. Die einen wollen die Sommerzeit, die anderen die Winterzeit, und viele, dass es so bleibt, wie es ist. Wissenschaftlich spricht nichts überwiegend für das eine und gegen das andere. Entscheidend ist daher: Es kann nur eine gemeinsame europäische Lösung geben.
Mit freundlichen Grüßen
Heribert Hirte