Frage an Heribert Hirte von Johannes W. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Hirte,
in der letzten Woche haben der Rechts- und der Finanzausschuss des Bundesrates Empfehlungen für die Stellungnahme des Bundesrates zum aktuellen Gesetzesentwurf zur Betreuervergütung beschlossen. Darüber wird der Bundesrat am 12. April befinden, dazu wiederum die Bundesregierung bis zum 30. April Stellung nehmen. Beide Stellungnahmen gehen dann in das parlamentarische Verfahren zunächst im Bundestag. Die erste Lesung ist für den 4. April vorgesehen, die zweite und dritte für den Mai geplant .
Als freiberuflicher gesetzlicher Betreuer merke ich, dass meine Betreuten es bei mir zwar noch relativ gut haben, aber hierzu ein gewißes Maß Selbstausbeutung meinerseits notwendig ist.
D.h. um das Gehaltsniveau an die 14 Jahre unveränderte Betreuervergütung anzupassen, muß so mancher freiberufl. Betreuer mehr Betreuungen führen und hat damit weniger Zeit und zudem mehr berufliche Risiken einzugehen. Ganz zu schweigen von Betreuungsvereinen, welche zunehmend durch chronische Unterfinanzierung von der Bildfläche verschwinden.
Wir gesetzlichen Berufsbetreuer sorgen zudem für den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft durch die Vernetzung der vielfältigen Hilfen und Ansprüche der Betreuten (Bundesteilhabegesetz usw.). Offensichtlich sehen manche Länder den Betreuer als ersetzlich an bzw. als Sparschwein. Das Ergebnis chronischer Unterfinanzierung wird eine weitere Entsolidarisierung unserer Gesellschaft sein.
Uns bleibt eine gewiße Resignation vor den neuen und zeitverzögernden Einwendungen von Ländern wie NRW und Schleswig H.. Es geht zu wie auf so mancher öffentlichen ewigen Baustelle.
Ich frage Sie wie lange dauert es noch bis das Gesetz ohne die weiter einschränkenden Länderschikanen durch ist und bitte Sie die Einwendungen der Länder zurück zu weisen und sich um eine möglichst schnelle Umsetzung des Gesetzentwurfes einzusetzen.
Es grüßt jw
Sehr geehrter Herr W.,
vielen Dank für Ihre Nachfrage. Lassen Sie mich deutlich sagen, dass meine Kollegen und ich, insbesondere als Rechtspolitiker, eine gute Vorstellung von Ihrer - nicht immer leichten - Arbeit haben und Ihren Einsatz zu schätzen wissen. Aus Ihrer Nachricht kann ich ablesen, dass Sie das zähe Ringen um eine Lösung zwischen Bund und Ländern mitverfolgt haben. Daher freue ich mich, dass wir nach langen Gesprächen endlich einen Kompromiss gefunden haben.
Berufsbetreuer und Betreuungsvereine fordern zurecht seit Jahren eine Vergütungserhöhung, einige Vereine mussten zwischenzeitlich ihre sozial- und gesellschaftspolitisch so wertvolle Arbeit einstellen. Eine Anfang 2017 im Deutschen Bundestag beschlossene Erhöhung um 15 Prozent scheiterte noch im Bundesrat. Auch in der öffentlichen Anhörung vom 6. Mai 2019 wurde deutlich, dass selbständige Berufsbetreuer und Vereine dringend auf eine Vergütungserhöhung angewiesen sind. Meine Fraktion begrüßt es daher sehr, dass nach mehr als einem Jahrzehnt unveränderter Vergütung für berufliche Betreuer eine Erhöhung zwischen Bundesregierung und Ländern vereinbart werden konnte.
In der vergangen Sitzungswoche hat der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung beschlossen, das zu einer durchschnittlichen Anhebung der Vergütung von Betreuern und Vormünden von 17 Prozent führen wird. Differenzierungen sind hinsichtlich der Dauer der Betreuung, des gewöhnlichen Aufenthalts sowie des Vermögensstatus des Betreuten vorgesehen. Hinzu kommen gesonderte Pauschalen für einen höheren Betreuungsaufwand für nicht-mittellose Betreute. Rechtstechnisch soll damit eine einfache und Qualitätsaspekte berücksichtigende Anpassung der Vergütung erfolgen.
Wir haben uns im Koalitionsvertrag bewusst dafür entschieden, die Vergütungserhöhung zügig und noch vor einer umfassenden Strukturreform der rechtlichen Betreuung vorzunehmen. Hinsichtlich der Frage, für welchen Zeitraum die konkrete Erhöhung vereinbart wird und die Länder nicht mit weiteren Erhöhungen rechnen müssen, kam aber Kritik vom Bundesrat. Mit einem Festhalten am Regelungsvorschlag des Regierungsentwurfs, dessen Basis die vorangegangenen Bund-Länder-Gespräche waren, beschreiten wir damit einen Mittelweg. Dieser sollte eine Zustimmung des Bundesrats am 7. Juni 2019 gewährleisten.
Darüber hinaus ist ein Evaluierungsprozess vorgesehen, den wir eng begleiten werden. Teilen Sie mir und meinen Kollegen gerne mit, wenn Ihnen hier Schwachpunkte oder Fehlentwicklungen auffallen. Argumente aus der Praxis helfen uns hier, uns gegenüber den Ländern zu positionieren.
Mit freundlichen Grüßen
Heribert Hirte