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Heribert Hirte
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Frage von Ralf S. •

Frage an Heribert Hirte von Ralf S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Hirte,
wie positionieren Sie sich zur aktuell bevorstehenden EU-Urheberrechtsreform, insbesondere zu den Artikeln 11 und 13? Sollte diese in ihrer derzeit veröffentlichten Version beschlossen und umgesetzt werden hat dies gravierende Auswirkungen speziell auf kleinere Anbieter (auch die von Ihnen im Rahmen Ihrer oben dargestellten politischen Ziele erwähnten StartUps). Der aus den Artikeln resultierende Zwang "pauschale Lizenzverträge" mit allen potenziellen Rechtegebern abzuschließen oder "Upload-Filter" zu installieren wird kleinere Unternehmen überfordern und bei den "Big Players" zur Vermeidung von Rechtestreitigkeiten zu überstrengen Filtereinstellungen mit zahlreichen "false positives" führen.
Da ich mich von meinen gewählten/zu wählenden Vertretern gut vertreten wissen möchte bin ich an Ihrer Einstellung zu dem Thema interessiert und würde mich auch interessieren, ob Sie diesbezüglich auch mit Ihrem Parteifreund bei der EU Herr Axel Voss in Kontakt stehen.
Ich würde es sehr begrüßen, wenn Sie und Ihre Partei sich an die im Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode getroffene Vereinbarung (Zeilen 2212 - 2216)
"Eine Verpflichtung von Plattformen zum Einsatz von Upload-Filtern, um von Nutzern hochgeladene Inhalte nach urheberrechtsverletzenden Inhalten zu „filtern“, lehnen wir als unverhältnismäßig ab. Negative Auswirkungen auf kleinere und mittlere Verlage müssen vermieden werden. Die Daten-Souveränität werden wir auf europäischer Ebene im Rahmen der E-Privacy-Verordnung stärken."
gebunden fühlen und entsprechend agieren.
Vielen Dank für Ihre Antworten
R. S.

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Staufenbiel,

vielen Dank für Ihr Interesse an der Umsetzung der Europäischen Richtlinie zur Urheberrechtsreform.

Ich bin davon überzeugt, dass Autoren, Künstler, Kreative, Musiker und andere Urheber auch in der digitalen Welt einen Anspruch darauf haben, dass ihr geistiges Eigentum geschützt wird. Das ist Teil unseres Rechtsstaats. Durch die neue Regelung soll ein fairer Ausgleich zwischen Nutzern, Urhebern und Plattformen geschaffen werden. Urheber sollen eine faire Vergütung für ihre Inhalte erhalten, die Plattformen werden stärker in die Pflicht genommen; insbesondere auch finanziell, denn bis heute werden beträchtliche Gewinne generiert, von denen Kreative ausgeschlossen sind. Die Neuregelung richtet sich letztlich vor allem an einen kleinen Kreis der Plattformen, aufgrund der quasi monopolistischen Struktur der Branche allerdings mit großer Wirkung für die Nutzer im Netz. Diese großen Plattformen werden nunmehr – anknüpfend an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs – für Urheberrechtsverletzungen in Haftung genommen – endlich, möchte man hinzufügen, denn vorher lag die Haftung bei den Nutzern.

Nun steht für den Bundestag die Umsetzung der europäischen Richtlinie an, die mit einer überfraktionellen Mehrheit von u.a. S&D, Grünen und EVP im Europäischen Parlament verabschiedet wurde (am Ende entschieden sich 348 Europaparlamentarier für die Reform, 274 votierten dagegen). Deswegen haben sich auf Initiative des CDU-Generalsekretärs Paul Ziemiak Rechts- und Digitalpolitiker der CDU Deutschlands sowie die Sprecher des #cnetz zusammengesetzt und auf Vorschläge für die nationale Umsetzung des europäischen Kompromisses zum Urheberrecht verständigt – auch ich war daran sehr intensiv beteiligt. Die Ergebnisse können Sie auf der Internetseite der CDU Deutschland finden (https://www.cdu.de/artikel/kompromiss-zum-urheberrecht-keine-uploadfilter).

Im Vorschlag unserer Partei wird dabei ein System der Pauschal-Lizenzierung für alle nicht bereits vertraglich lizenzierten Rechte vorgeschlagen, das – um auf Ihre Frage zurückzukommen - auch konform mit dem Koalitionsvertrag ist: Uploadfilter sind damit nach unserer Lesart für die Umsetzung der Reform in deutsches Recht überflüssig. Und zur Erinnerung: Der Artikel 13 (in der Endfassung der Richtlinie Artikel 17) sieht keinen Zwang oder Automatismus zum Einsatz einer solchen Technik vor. Wir erkennen in der Reform eine Stärkung der Nutzerrechte, beispielsweise durch ein Recht auf Uploads! Durch dieses Individualrecht ist es den monopolartigen Plattformen nun untersagt, die Nutzer durch „Overblocking“ am Hochladen von Bildern, Musik oder Ähnlichem zu hindern. Das gab es derart bislang nicht. Wir bieten daher Optionen, wie Unternehmen Uploadfilter vermeiden können. Zahlen müssen sie aber dann für fremde Rechte. Das ist fair. Unternehmensstrategien können wir aber nicht beeinflussen. Und die Reform legt auch eines klar und deutlich fest: Eine allgemeine Überwachungspflicht darf es nicht geben. Zudem sind kleine Unternehmen in der Reform von einigen Haftungszwängen ausgenommen. Wenn auch, hier teile ich die Kritik beispielsweise des Start-up-Verbandes, diese Ausnahmen in der europäischen Richtlinie nicht völlig durchdacht wirken. Hier hoffe ich auf kluge Lösungen in den nationalen Umsetzungen, wie wir sie als CDU/CSU bereits vorgelegt haben. Schlussendlich bleibt festzuhalten, dass nicht alle Argumente oder Sorgen der Debatte aufgegriffen werden konnten. Denn so ist es im politischen Kontext oftmals: Gesetzesvorhaben sind vielschichtig und Ergebnis eines Kompromisses. Insbesondere europäische Richtlinien geben zunächst nur einen Rahmen vor, in dem die nationalen Gesetzgeber sich dann bewegen dürfen. Es bleibt sehr zu hoffen, dass sich die Kraft der emotionalen Debatte im Netz rund um das Thema auch produktiv für die Diskussion der nationalen Umsetzungen umwandeln lässt und wir hoffen auch, die anderen Fraktionen im Bundestag mit unserem konstruktiven Vorschlag überzeugen zu können. Denn es gäbe weitaus mehr Bestandteile dieser notwendigen Reform zu diskutieren, z.B. die Lizenzierung für Forschung, Data-Mining, Kulturgut, Stakeholder-Dialoge, Schlichtungsmechanismen bei Streit über die Lizenzierung, Leistungsschutzdebatte – alles Bestandteile des vorliegenden Reformtextes.

Das Informationsverhalten und Kommunikationsverhalten unserer Gesellschaft wandelt sich stetig. Die Lebensrealität der jungen Generation ist weitaus mehr durch die verschiedenen Plattformen und das Netz allgemein geprägt, als es sich so mancher ältere Vertreter in der Politik überhaupt vorstellen kann. Daher ist die hohe Sensibilität bei diesem Thema nachvollziehbar – zumal auch rechtliche Fragen der Digitalisierung Zukunftsfragen unserer Gesellschaft sind. Ja, interessierte Jugendliche hätten in dem ganzen Verfahren mehr angehört und auch einbezogen werden müssen. Aber da eben diese Plattformen gerade Adressaten der Neuregelungen sind, ist ein erhebliches Eigeninteresse auch bei der Informationsverbreitung nicht zu verkennen. Gleichwohl wurden Sorgen, Einwände und Ideen teilweise allzu leichtfertig beiseite gewischt. Im gegenseitigen Unverständnis haben sich die Fronten verhärtet. Grundsätzlich konnten wir eine fatale Entwicklung beobachten: Die Diskussion eskaliert zu schnell. Unabhängig davon, was man über den zuständigen Berichterstatter im Europäischen Parlament Axel Voss und seine Rolle in diesem Prozess denkt - wir erreichen das Ende des demokratischen Spielfeldes, wenn es Bombendrohungen, andere strafwürdige Aktionen und blanken Hass gegen demokratische Repräsentanten gibt. Die Europäische Union ist der Werteverbund, der sich weltweit für Meinungsfreiheit und alle andere individuelle Rechte einsetzt. Wenn sich in den Köpfen von Teilen unserer Gesellschaft tatsächlich die Vorstellung breitmacht, Zensur und die willentliche Zerstörung unseres informellen Gesellschaftssystems (das Internet ist ein wesentlicher Teil hiervon) sei nur im Ansatz Teil einer Richtlinie dieser Europäischen Union, dann haben wir ein besorgniserregendes Legitimationsproblem für unsere Demokratie.

Und lassen Sie mich noch erklären: Die Entwicklung einer europäischen Richtlinie ist ein jahrelanger Prozess. Die Europäische Union ist sehr transparent in der Entwicklung der Gesetzgebung; man kann sich immer an seine Abgeordneten auf europäischer und nationaler Ebene wenden. Als Mitglied in der deutsch-französischen Versammlung werden wir daher versuchen, uns für eine sinnvolle, harmonisierte Umsetzung einzusetzen, die vom europäischen Geist getragen ist und in dessen Zentrum die Verbraucher und Nutzer, aber eben auch die Künstler und Urheber, stehen.

Ich bin davon überzeugt, dass meine Partei hier einen wichtige Schritt in die richtige Richtung getan und auch aus der zum Teil berechtigten Kritik für die Zukunft gelernt hat. Für die richtige Lösung gilt es, auch in der eigenen Partei zu werben und zu streiten. Es ist richtig, dass einige der erfolgreichsten Unternehmen der Welt Musiker, Autoren, Drehbuchautoren und alle weiteren Kreativen in Zukunft angemessen am Gewinn beteiligen, der mit den kreativen Werken dieser Künstler erwirtschaftet wird. Diese Reform ist ein fairer Ausgleich zwischen den Plattformen, Nutzern und Rechteinhabern.

Mit freundlichen Grüßen

Heribert Hirte