Frage an Heribert Hirte von Manuel N. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Hirte,
sehen Sie eine Möglichkeit, wie die Besteuerung multinationaler Konzerne innerhalb der EU stärker homogenisiert werden kann? Gerade im Zusammenhang mit den Diskussionen über einen europäischen Finanzminister bestünde die Möglichkeit, eine Zusammenarbeit in diesem Feld zu verbessern.
Beste Grüße
Manuel Neumann
Sehr geehrter Herr N.,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Zusammen mit meinen Fraktionskollegen habe ich bereits im Februar 2016 ein Positionspapier zur Zukunft der Wirtschafts- und Währungsunion veröffentlicht, in welchem wir fordern, eine substantielle Besteuerung der Unternehmen in den Mitgliedstaaten sicherzustellen und einer missbräuchlichen Steuergestaltung vorzubeugen. Wie letztlich die Erfolgschancen sein werden, diese Ideen umzusetzen, wird sich am Ende der Koalitionsverhandlungen zeigen.
Grundsätzlich ist dabei aber wichtig, daran zu denken, dass interner Steuerwettbewerb grundsätzlich sinnvoll und gut ist. Wenn wir gerade an die östlichen Bundesländer denken, sind der wirtschaftliche Aufschwung und auch viele Sanierungsvorhaben nicht vorstellbar ohne entsprechende steuerliche Anreize. Auch muss man immer berücksichtigen, dass natürlich eine Besteuerung auf der Ebene der Lohnsteuer und der Kapitalertragsteuer von Inländern vorliegt, auch wenn die Gesellschaft möglicherweise "vor Ort" keine oder nur geringe Steuern zahlt. Vor allem aber ist auch deshalb Vorsicht geboten, weil andere Staaten - und hier ist außerhalb der EU vor allem an China zu denken - denselben Ansatz auch zu Lasten großer Teile der deutschen Industrieunternehmen nutzen, indem sie argumentieren, ein größerer Teil der Wertschöpfung finde nicht in Deutschland, sondern in China statt.
Hier gilt es immer, einen Kompromiss zwischen volkswirtschaftlich Sinnvollem und als gerecht Empfundenem zu finden. Auch gilt es, nationale, wenn nicht gar regionale Interessen mit den Interessen der gesamten Europäischen Union abzuwägen. Insofern gilt es, den Steuerwettbewerb zu erhalten und gleichzeitig unlautere Gestaltungen und Missbrauch zu verhindern.
Hier müssen effektive Lösungen gefunden werden, auch mit Hilfe eines funktionierenden Sanktionsmechanismus, um das EU-Beihilferecht zu verbessern. Die Einführung eines europäischen Finanzministers würde diese Situation aber nicht zwingend verbessern. Denn sie hat mit der Steuerfrage nichts zu tun. Mit dem Maßnahmenpaket der EU-Kommission zur Bekämpfung von Steuervermeidung (BEPS-Richtlinie) sind wir aber auf einem guten Weg, das Problem anzugehen - aber wir müssen natürlich die Unterstützung aller EU-Mitgliedstaaten dabei haben. Sicher ein ganz wichtiger und von mir schon lange favorisierter Schritt ist die jetzt von Deutschland und Frankreich vorangetriebene einheitliche Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage.
Mit freundlichen Grüßen
Heribert Hirte