Frage an Heribert Hirte von F. H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Prof. Hirte,
wofür stehen Sie im Russland-Ukraine-Konflikt ein, was kann man im Detail (da steckt der Teufel) von Ihnen und Ihrer Partei erwarten? Es ist zuweilen von einer historischen Verantwortung Deutschlands für die Russ. Föderation die Rede, die aus dem deutschen Vernichtungskrieg gegen die damalige Sowjetunion abgeleitet wird. Gibt es eine historische Verantwortung Deutschlands für die Ukraine (die sog. "Kornkammer Europas" in nationalsozialistischen Besatzungsplänen) und wie sieht sie aus Ihrer Sicht aus? Werden Sie mit deutschen Parteien koalieren, die eine andere Sicht auf den Russland-Ukraine-Konflikt haben?
Vielen Dank.
H.
Sehr geehrter Herr H.,
vielen Dank für Ihre Fragen. Wie jedem souveränen Staat gestehen wir, die Bundesrepublik Deutschland, der Ukraine zu, selbst gewählte Bündnisse einzugehen. Die Bevölkerung der Ukraine hat mit einer überwältigenden Mehrheit für ein Bündnis mit der Europäischen Union und der Nato gestimmt; diese Entscheidung respektieren und unterstützen wir. Daher leisten wir im Rahmen der EU-Nachbarschaftspolitik erhebliche Beiträge dazu, demokratische und rechtsstaatliche Institutionen in der Ukraine aufzubauen. Eine besondere historische Verantwortung gegenüber der Russischen Föderation, die aus dem 2. Weltkrieg resultiert, sehe ich nicht. Wenn überhaupt, kann nach meinem Verständnis eine solche Verantwortung nur gegenüber Menschen, nicht aber gegenüber einem Staat bestehen. Ohne hier irgendwelche der deutschen Gräueltaten relativieren zu wollen, leben wir aber im Jahr 2017, und es geht darum, die jetzige Situation zu bewerten. Selbst wenn wir aber diese Verantwortung hätten, würde dies auch für die Ukraine gelten, deren Bewohner genauso unter den deutschen Gräueltaten leiden musste - und insofern keine andere Bewertung rechtfertigen:
Die völkerrechtswidrige Annexion der Krim war und ist aber ein anhaltender Völkerrechtsbruch Russlands, den wir verurteilen und so auch nicht hinnehmen. Dieser lässt sich auch nicht, wie vielfach angeführt, mit einem möglicherweise völkerrechtwidrigen Verhalten der Westmächte im Kosovo rechtfertigen - eine Gleichheit im Unrecht gibt es gerade nicht! Daher haben wir bzw. die Europäische Union in enger Abstimmung mit den USA ein Sanktionsregime erlassen, welches diesen Völkerbruch ahndet. Für eine politische Lösung setzt sich auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Nachdruck ein und hat dazu, zusammen mit dem französischen Ministerpräsidenten, das Normandie-Format geschaffen. Dies unterstütze ich. Außerdem erwarte ich eine vollständige Umsetzung der Minsker Friedensvereinbarung, die aktuell leider auf der Stelle tritt. Auch Verhandlungen am Rande des G20-Gipfels in Hamburg haben nicht zum Durchbruch für einen Frieden in der Ukraine geführt.
Davon abgesehen, dass ich nicht persönlich und allein, sondern meine Partei sich nach der Bundestagswahl an Koalitionsverhandlungen beteiligen will und wird, vertreten alle potentiellen Koalitionspartner meines Wissens nach diese Meinung.
Mit freundlichen Grüßen
Heribert Hirte