Frage an Heribert Hirte von Johannes P. bezüglich Finanzen
Hallo Herr Hirte,
als wählender Bürger Ihres Wahlkreises besorgt mich immer noch die internationale Finanzkrise.
Während der Finanzkrise wurden in kürzester Zeit gigantische Geldsummen vom Staat an die Banken geleitet, die vorher schlecht gewirtschaftet hatten. Eine Insolvenz, wie sie für allen anderen Wirtschaftstreibenden bei schlechtem wirtschaften zugemutet wird, wurde mit der Begründung abgelehnt, diese Banken seien System-relevant. D.h. weil diese Banken systemrelevant waren, mussten wir sie retten. Gleichzeitig wurden die verantwortlichen Manager durch dicke Boni belohnt.
Was sind ihre Vorstellungen, wie diese Situation in Zukunft vermieden werden kann? Wie kann das System geändert werden, dass wir in Zukunft Banken pleite gehen lassen können und nicht retten müssen? Eine Idee ist ja, die Sichteinlagen aus der Bankbilanz einfach auszugliedern und zu 100 % durch Zentralbankgeld zu decken. Dann wäre doch bei einer Pleite der Bank dieses Geld nicht gefährdet, der allgemeine Zahlungsverkehr nicht bedroht, und wir müssten die Banken nicht mehr retten?
Ich hoffe Sie finden Zeit, mir hier ihre Gedanken zu diesem Thema mitzuteilen.
Schöne Grüße,
Johannes Pernpeintner
Sehr geehrter Herr Pernpeintner,
vielen Dank für Ihre Frage. Es ist in der Tat nicht ganz einfach, in der Kürze der möglichen Zeit zu diesen schwierigen Fragen alles Wichtige zu sagen.
Deshalb ein wenig stichpunktartig:
Es ist richtig und wichtig, dass Banken pleite gehen können müssen - da nur so sichergestellt ist, dass schlecht wirtschaftende Wirtschaftssubjekte aus dem Markt ausscheiden. Das kollidiert allerdings zum Teil mit dem Prinzip und der Notwendigkeit der Einlagensicherung, die ja auch mit Blick auf das öffentliche Interesse besteht, die private Vorsorge der Bürger nicht zu gefährden, weil diese Bürger sonst zu einem öffentlichen Versorgungsfall werden könnten. Die Lösung, wie sie in Zypern gewählt wurde, ist daher im Grundsatz richtig - wie ich auch schon auf Facebook geschrieben hatte.
Dass die Dinge bei Systemrelevanz anders sind, erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Und deshalb ein Wort dazu, was damit gemeint ist: "Systemrelevant" ist ein Wirtschaftsteilnehmer, wenn die Folgen seiner Insolvenz noch andere als die direkten Gläubiger treffen. Das würde etwa - außerhalb des Banksektors - für die Deutsche Bahn AG gelten, nicht aber für eine einzelne Bäckerei. Wenn aber jemand wegen Systemrelevanz vor der Insolvenz geschützt wird, muss er für den entsprechenden Vorteil zahlen; denn dieser liegt ja im öffentlichen Interesse. Genau deshalb hat die jetzige Bundesregierung eine Bankenabgabe für solche Institute eingeführt.
Dass man unterhalb dieser Schwelle noch weitere Maßnahmen braucht, um den Konflikt aufzulösen, ist m.E. nicht sicher belegt. Das gilt auch für Ihre Überlegung einer "Ausgliederung" der Sichteinlagen.
Was die "Boni" angeht, ist die Sache ziemlich schwierig: Ich setze mich seit Jahren, wahrscheinlich sogar Jahrzehnten dafür ein, dass unangemessene Managervergütungen zu kontrollieren sind. Ob und wie weit solche Zahlungen aber tatsächlich (wesentlich) zur Finanzkrise beigetragen haben, ist allerdings gleichwohl nicht ganz klar. Deshalb ist mein erstes Ziel in den letzten Monaten gewesen, die Kompetenz zur Festlegung solcher Vergütungen zunächst einmal in die Hände der Eigentümer zu legen, die ja im Zweifel die Zeche zu zahlen haben. Ein entsprechendes Gesetz hat der Bundestag vor einigen Wochen beschlossen, und ich hoffe, dass der Bundesrat es in seiner nächsten Sitzung am 20. September nicht blockiert.
Mit freundlichen Grüßen
Heribert Hirte