Mit welcher Intention widersetzt sich die CDU einer wissenschaftlich fundierten und lebensnahen Cannabispolitik?
Sehr geehrter Herr Otte,
die derzeitige Bundesregierung hat im Gegensatz zu ihren Vorgängerregierungen endlich die Strafverfolgung von Cannabiskonsumenten beendet. Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat angekündigt im Falle eines Wahlsiegs die Strafverfolgung sofort wieder aufzunehmen. Mal davon ab, dass es hochgradig besorgniserregend ist, dass eine potenzielle Folgeregierung eine Rücknahme von beschlossenen Gesetzten ankündigt, wie rechtfertigen Sie bzw. die CDU eine rechtlich härtere Behandlung eine Pflanze, die pro Jahr für 0 Drogentote in Deutschland verantwortlich ist? Mit über 60.000 Toten jährlich in Folge von Alkoholkonsum scheint man in der CDU verwunderlicher Weise keinen Handlungsbedarf zu sehen. Hier würde ich mir statt einer sinnfreien Rekriminalisierung von Cannabis (glauben Sie wirklich die Bürger entsorgen ihre angeschaffte Growtechnik wieder, weil die CDU das will?) eher eine Alkoholpolitik nach dem "Systembolaget" wünschen. Substanzkonsum lässt sich nicht verhindern.
Sehr geehrter Herr H.,
vielen Dank für ihr Schreiben bezüglich der Legalisierung von Cannabis. Dieses Thema ist vielfältig diskutiert und hoch umstritten. Ich möchte Ihnen nun gerne die Position der Union darstellen.
Sie schreiben, dass sich die CDU einer „wissenschaftlich fundierten und lebensnahen Cannabispolitik“ widersetze, was ich so nicht teilen kann.
Aus meiner Sicht kann die Cannabis-Legalisierung erhebliche Folgewirkungen haben.
Das gilt insbesondere für junge Menschen, da sich das Gehirn noch im Entwicklungsstadium befindet. So hat beispielsweise eine amerikanische Studie zu Cannabis konsumierenden Jugendlichen, ergeben, dass sich diese deutlich schlechter konzentrieren können und impulsiver sind als Jugendliche, die kein Cannabis konsumieren. Ursache dafür ist die hohe Verwundbarkeit eines jungen Gehirns, weil dieses empfindlich auf die sehr hohen THC-Gehalte in den heutzutage konsumierten Substanzen reagiert.
Der erhöhte THC-Gehalt in Cannabis hat außerdem zur Folge, dass das Suchtpotential und die Suchtgefahr steigen. Laut der AOK werden 50 Prozent der Jugendlichen, die regelmäßig Cannabis konsumieren süchtig, mit schwerwiegenden Langzeitfolgen: psychotische Störungen, wie Psychosen oder Schizophrenien, Beeinträchtigung der Kognition, affektive Störungen, wie Depressionen und bipolare Störungen sowie körperliche Folgen, wie Lungen- und Atemwegserkrankungen.
Aus meiner Sicht ist das Gesetz außerdem handwerklich sehr schlecht gemacht. Das Gesetz sieht für den Cannabiskonsum einen Mindestabstand von 200 Metern zu Schulen, Kindergärten und Spielplätzen vor. Zudem darf man bei sich zu Hause drei Marihuana-Pflanzen für den Eigenbedarf anbauen. Nur wer soll diese Vorgaben kontrollieren? Die oft angeführte These, dass die Justiz und Polizei entlasten werden würde, stimmt also nicht, im Gegenteil: die Justiz wird überfordert, was auch an der Rückabwicklung von Verurteilungen für verurteilte Straftäter liegt und zu einem immensen bürokratischen Aufwand führt. Die Polizei und Ordnungsämter haben uns gegenüber oft betont, dass sie keine Kapazitäten hätten, um die Vorgaben des Cannabisgesetztes zu kontrollieren.
Insgesamt sehe ich in der Freigabe von Cannabis mehr Gefahren als Nutzen.
Ich hoffe, dass ich Ihnen die Position der Union verständlich dargelegt habe und verbleibe für heute.
Mit freundlichen Grüßen
Henning Otte