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Hendrik Hoppenstedt
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Frage von Bernd K. •

Frage an Hendrik Hoppenstedt von Bernd K. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Hoppenstedt,

für mich sind die für TTIP vorgesehenen Schiedsgerichte in höchstem Maße undemokratisch aus folgenden Gründen:

Wenn ich als Privatperson in den USA investiere und diese Investition wird durch neue Gesetze zunichte gemacht, dann habe ich im Gegensatz zu deutschen Unternehmen nicht die Möglichkeit, ein Schiedsgericht anzurufen. Das ist ein klarer Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz.

Aktuell verklagt Vattenfall die Bundesrepublik auf 4,7 Mrd Euro Schadensersatz aufgrund des kurzfristigen Ausstiegs aus der Kernenergie. Wenn Vattenvall ein amerikanischer Konzern und TTIP bereits in Kraft wäre, würde dieser Fall wohl vor einem Schiedsgericht landen. E.ON und RWE haben noch einen weitaus größeren Schaden durch dieselben Gesetze erlitten. Hätten diese auch die Möglichkeit, vor einem Schiedsgericht die Bundesrepublik zu verklagen? Falls ja, würde eine Paralleljustiz für Konzerne innerhalb Deutschlands etabliert. Falls nein, wäre das eine klare Benachteiligung von deutschen gegenüber amerikanischen Konzernen und ein weiterer Verstoß gegen die Gleichheit vor dem Gesetz.

Wenn ich mich weigere, ein Stück Land für den Bau einer Straße zu verkaufen, dann kann ich zum Wohl der Allgemeinheit gegen einen angemessenen Schadensersatz enteignet werden. Warum sollte ein amerikanischer Konzern nicht auch zum Wohl der Allgemeinheit gegen einen angemessenen Schadensersatz enteignet werden können? Und falls dies tatsächlich passiert, warum sollte er sich dagegen vor einem Schiedsgericht wehren können und ich nicht?

Für Antworten auf diese Fragen wäre ich Ihnen sehr dankbar.

Mit freundlichen Grüßen

Bernd Kretzer

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Sehr geehrter Herr Kretzer,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Mir ist bewusst, dass die mögliche Einführung von Schiedsgerichten im Rahmen des geplanten Freihandelsabkommens mit den USA einer der Hauptkritikpunkte ist.

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass es noch überhaupt keine konkreten Vertragsinhalte gibt, weil die Verhandlungen zwischen den USA und der EU noch andauern. Ohne eine solche Grundlage können Ihre Fragen logischerweise nicht beantwortet werden.

Wie Sie den Mitteilungen der EU-Institutionen und der Bundesregierung in den vergangenen Monaten sicherlich entnommen haben, ist TTIP kein Selbstzweck und an die Beachtung zahlreicher Bedingungen geknüpft. Schon im Verhandlungsmandat der EU-Kommission wird klargestellt, dass „das Niveau der internen Rechtsvorschriften und Normen in den Bereichen Umweltschutz, Arbeitsrecht oder Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz“ nicht gesenkt „oder die Kernarbeitsnormen oder die Politik und die Rechtsvorschriften zum Schutz und zur Förderung der kulturellen Vielfalt“ gelockert werden dürfen. Außerdem darf „das Abkommen […] keine Bestimmungen enthalten, die die kulturelle und sprachliche Vielfalt in der Union oder ihren Mitgliedstaaten – insbesondere im kulturellen Bereich – beeinträchtigen würden […].“

Auch im Bereich des Investitionsschutzes ist der EU an einer ausgewogenen Regelung gelegen. Aktuell arbeitet die EU-Kommission an einem Textvorschlag für einen Investitionsschutz, der noch mit den Mitgliedsstaaten noch abstimmt werden muss. Aufgrund der Kritik an den ursprünglichen Plänen, Schiedsgerichte nach international etablierten Standards einzuführen, zeichnet sich ab, dass ein modernes Investionsgerichts-System unter öffentlicher Kontrolle eingeführt werden könnte.

Weil Investitionen ein Motor für Wachstum und Beschäftigung sind, halte ich es für wichtig, dass das Thema Investitionsschutz in den Verhandlungen eine wichtige Rolle spielt. Durch Investitionen wird ein zentraler Beitrag zur wirtschaftlichen Erholung der Eurozone und somit auch zur Sicherung der sozialen Standards in Europa sichergestellt. Schon heute ist die EU zugleich das größte Ziel ausländischer Direktinvestitionen und größter Direktinvestor weltweit. Die EU hat somit ein großes Interesse daran, weiterhin Anreize für internationale Investitionen zu schaffen, diese zu schützen sowie im Ausland tätige Investoren aus der EU zu unterstützen. Diesem Ziel dient bereits seit vielen Jahren der Abschluss von Investitionsschutzabkommen.

Durch Investitionsschutz erhalten Unternehmen, die im Ausland investieren wollen (z.B. eine Fabrik errichten), eine Garantie dass ihre Investitionen dort gerecht und gleichberechtigt mit den Investitionen der nationalen Unternehmen behandelt werden. So entsteht Rechtssicherheit und Berechenbarkeit, gerade auch für kleinere und mittelständische Unternehmen, die sich keine eigene Rechtsabteilung in einem fremden Land leisten können. Deutschland hat Investitionsschutzregeln vor rund 50 Jahren erfunden und mit rund 130 Staaten existieren bereits sogenannte Investitionsförderungs- und –Schutzverträge.
Bisher hat es auf dieser Basis nur drei Klagen gegen Deutschland gegeben. Keine war erfolgreich – auch die von Ihnen angesprochene nicht. Die EU-Mitgliedstaaten haben bereits rund 1400 Investitionsschutzabkommen abgeschlossen, davon allein 198 EU-intern. Die demokratischen Entscheidungsbefugnisse des Bundestages oder anderer europäischer Parlamente wurden in keiner Weise durch diese Abkommen tangiert.

Die weltweit aktivsten Kläger auf der Basis von Investitionsschutzabkommen sind im Übrigen die Europäer (mit rund 53 Prozent der aktuellen Klagen) und nicht die Amerikaner (mit lediglich 22 Prozent). So laufen derzeit z.B. vor dem Schiedsgericht in Washington mehrere Klagen von europäischen Ökostrom-Unternehmen.

Das heißt nicht, dass die geltenden Investitionsschutzverfahren nicht verbesserungswürdig sind – die aktuellen Entwicklungen zeigen ja, dass die EU-Kommission die Kritik sehr ernst nimmt und an alternativen Streitbeilegungsmodellen arbeitet. Vor allem dürfen Regelungen zum Schutz des Allgemeinwohls, die rechtsstaatlich und demokratisch begründet sind, nicht unterwandert werden. Sollte es im Deutschen Bundestag eine Abstimmung über das Freihandelsabkommen geben, würde ich meine Zustimmung nur dann geben, wenn die vorgenannten Punkte berücksichtigt werden.

Wenn Sie Interesse an den Ergebnissen der einzelnen Verhandlungsrunden haben, dann empfehle ich Ihnen, über die Internetseite der EU-Kommission die entsprechenden Dokumente einzusehen: http://trade.ec.europa.eu/doclib/press/index.cfm?id=1252&serie=866&langId=de .

Mit freundlichen Grüßen

Hendrik Hoppenstedt

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