Frage an Hendrik Hoppenstedt von Gabriel S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Hoppenstedt,
Ihre Meinung zur voraussichtlich bald anstehenden Abstimmung über das dritte "Hilfspaket" für Griechenland wäre für mich von großem Interesse.
Mit freundlichem Gruß
Sehr geehrter Herr Skowronek,
nachfolgend finden Sie meine Erklärung zur heutigen Abstimmung im Deutschen Bundestag:
In den letzten Wochen haben mich viele Nachrichten zum Thema Griechenland erreicht. Heute habe ich mit Überzeugung, allerdings auch nach langem Nachdenken der Aufnahme von Verhandlungen für ein drittes Hilfspaket im Deutschen Bundestag zugestimmt. Dieses möchte ich wie folgt begründen:
1.
Durch die Aufnahme von Verhandlungen wird das Ergebnis, nämlich die Verabschiedung eines dritten Hilfsprogrammes, nicht vorweggenommen. Ich vertraue insbesondere unserem Verhandlungsführer, Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble, dass er in den anstehenden Verhandlungen deutsche Interessen vertritt.
2.
Mit den von Angela Merkel und Wolfgang Schäuble vorläufig erzielten Verhandlungsergebnissen der Eurogruppe mit Griechenland sind Bedingungen erreicht worden, die meines Erachtens erneut eine Chance bieten, Griechenland mittel- und langfristig zurück auf einen Wachstumspfad zu führen. Die Strukturreformen bei Renten, der Verwaltung und Justiz, dem Steuersystem und den Privatisierungen sind nicht nur hart für die Menschen in Griechenland, sondern vor allem geeignet, dem Land eine Perspektive zu geben, um nicht dauerhaft über die eigenen Verhältnisse zu leben und Wirtschaftswachstum zu generieren. Diesen Weg sind Spanien, Portugal und Irland auch schon erfolgreich gegangen. Unser Anspruch, Hilfe zur Selbsthilfe zu geben und nicht dauerhaft in einer Transferunion zu enden, wird damit erfüllt. Genau die Durchsetzung dieses Anspruchs wollte Syriza mit vielen anderen linken Schwesterparteien verhindern.
Außerdem bleibt es dabei, dass im Vergleich zu den anderen Krisenländern, die erfolgreich die Hilfsprogramme durchlaufen und ihren Bevölkerungen zum Teil große Härten abverlangt haben, Griechenland keine Bevorzugung oder Sonderbehandlung erhält. Wenn das eingetreten wäre, hätten zukünftig alle in Schwierigkeiten befindlichen Mitgliedstaaten dem Beispiel Griechenlands folgen können. Das haben wir mit dem Verhandlungsergebnis verhindern können.
3.
Der Nettokreditbedarf Griechenlands wird auf ca. 74 Mrd. Euro für die nächsten drei Jahre geschätzt. Davon entfallen, wenn die Verhandlungen zu einem positiven Ergebnis führen, alleine 35 Mrd. Euro auf Schuldentilgung gegenüber EZB und IWF, weitere Mrd. Euro entfallen auf andere Gläubiger. Damit ist klar, dass Griechenland dieses Geld auch nutzen muss, um seine Verbindlichkeiten, u.a. auch beim deutschen Steuerzahler, bedienen zu können. Damit fließt ein erheblicher Teil des Geldes wieder in die Institutionen zurück, was übrigens gerade ein Hauptkritikpunkt der griechischen Regierung darstellt.
4.
Das Vertrauen in Alexis Tsipras und seine Regierung ist aufgebraucht. Deswegen ist es so wichtig, dass jegliche Auszahlung immer nur erfolgen kann, wenn die notwendigen Reformschritte auch umgesetzt werden. Das hält den Druck aufrecht. Aus demselben Grund ist ein Schuldenschnitt falsch. Auch wenn mir klar ist, dass wir einen Teil der Gelder möglicherweise nicht wiedersehen werden, würde ein radikaler Schuldenschnitt jetzt bedeuten, dass die Bonität Griechenlands wieder steigen und die griechische Regierung auf dem Kapitalmarkt sofort wieder neue Schulden machen würde – ein Teufelskreis. Außerdem ist ein Schuldenschnitt rechtlich unzulässig.
5.
Bei jeder zu treffenden Entscheidung lohnt eine Betrachtung der Alternativen: Schon jetzt haben Krankenhäuser mangels finanzieller Ressourcen Mühe, Medikamente bekommen. Die medizinische Versorgung der Griechen ist damit gefährdet. Die Unternehmen sind zum Teil nicht mehr in der Lage, Rohstoffe für ihre Produktionsprozesse zu kaufen mit der Konsequenz, dass die Wirtschaft zum Erliegen kommt. Die Banken stehen kurz vor dem Kollaps. Dies bedeutet, dass gerade die kleinen Leute ihre Ersparnisse verlieren können.
Sollte diese Entwicklung fortschreiten, haben wir mitten in Europa 11 Millionen Menschen, deren Staat am Ende ist. Dass uns das nichts angeht, ist ein Irrglaube. Wir würden selbstverständlich humanitäre Hilfe leisten und in irgendeiner Form den Aufbau organisieren müssen. Das wird weder billiger, noch ist es für die Griechen der einfachere Weg. Mit den vorläufigen Verhandlungsergebnissen, die die Eurogruppe mit Griechenland erzielt hat, können wir stattdessen die Strukturreform zielführend begleiten.
6.
Die Kanzlerin und der Bundesfinanzminister haben in ihren Brüsseler Verhandlungen nicht so sehr mit der griechischen Delegation zu kämpfen gehabt, weil sie ohnehin recht isoliert da stand. Gänzlich andere Standpunkte haben Italien und Frankreich, die das Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone um jeden Preis verhindern wollen. Ein Grexit hätte somit das vorläufige Ende der deutsch-französischen Achse und eine tiefe Spaltung und letztlich Schwächung Europas bedeutet. Das ist angesichts der angespannten Lage in der Welt ein hoher Preis, der Deutschlands Interessen schadet.
Mir ist bewusst, dass das meistens völlig inakzeptable Verhalten der griechischen Regierung, insbesondere die Ausfälle gegen unser Land und unsere politischen Vertreter, viele Emotionen bei uns freigesetzt hat. Auch ich kann mich davon nicht immer frei machen. Gleichzeitig sind Wut und Empörung ein schlechter Ratgeber. Wir haben uns bislang mit dem griechischen Volk höchst solidarisch gezeigt. Lassen Sie uns in der inhaltlichen Diskussion, aber auch in der Art der Wortwahl nicht auf das Niveau einiger griechischer Regierungsvertreter begeben. Dazu haben wir Deutschen Europa zu viel zu verdanken.
Aus den oben genannten Gründen, die auch Sie hoffentlich nachvollziehen können oder zumindest zum Nachdenken anregen, habe ich heute im Deutschen Bundestag für die Aufnahme von Verhandlungen zu einem dritten Hilfspaket für Griechenland gestimmt.
Hochachtungsvoll
Hendrik Hoppenstedt