Frage an Hendrik Hoppenstedt von Ulla S. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Hoppenstedt,
ist es nicht so, dass in Deutschland Ersatzfreiheitsstrafen verhängt werden, nur weil ein(e) Verurteilte_r seine Geldstrafe nicht bezahlen konnte?
Oder weil jemand schwarz Bahn gefahren ist o.ä. Ich sende Ihnen diesen Link mit, in dem Sie sehen, dass sogar eine sage und schreibe 87 Jahre alte Frau wegen schwarzfahrens vor Gericht und in U-Haft kam:
Bei vielen Menschen die Probleme mit der Justiz bekommen, liegen Probleme vor. Warum hilft der Staat Menschen mit Problemen nicht besser und warum gibt es für solche Taten keine andere Bestrafung als ggf. Gefängnis? Eine Freiheitsstrafe sollte doch nur im Notfall verhängt werden, oder wie sehen Sie das?
Herr Hoeneß hinterzog 18,5 Mio. Steuern und ist laut eigener Angabe kein " Sozialschmarotzer". Zumindest der Kommentator dieses Kommentars sieht das anders:
http://www.ksta.de/debatte/-hoeness-prozess-sozialschmarotzer-was-sonst-,15188012,26517042.html
Warum also diese Zweiteilung von Strafrecht und Steuerrecht? Wenn jemand reumütig ist, geht er m.W. im Strafrecht dennoch nicht automatisch straffrei aus.
Und selbst unter den einzelnen Steuerhinterzieher können Selbstanzeigen zu Ungleichbehandlungen führen, z.B. wenn jemand einfach kein Geld mehr hat, um die Steuerschuld nachzubezahlen und um sich ggf. einen guten Anwalt zu nehmen.Warum also die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige im Steuerrecht?
Warum bietet man Ersttätern, Menschen in Not, nicht generall an, ohne Gefängnisstrafe Ihre Situation zu ändern?
Aus meiner Sicht, müsste man zwischen Kapitalverbrechen/ finanziellen Delikte und Körperverletzungen usw. strikter unterscheiden.
Denn viele finanzielle Machenschaften wie z.B. Spekulationen auf Lebensmittel u.ä. werden m.W. bisher auch nicht bestraft.
Können Sie meinem Vorschlag zustimmen?
Mit freundlichen Grüßen
Ulla Schwarzer
Sehr geehrte Frau Schwarzer,
herzlichen Dank für Ihr Schreiben vom 11. März 2014.
Ich habe den Artikel über die 87-jährige Dame gelesen, die in Untersuchungshaft genommen worden war, nachdem sie 22 Mal schwarzgefahren (Erschleichen von Leistungen, § 265a StGB) war. Im Artikel heißt es, dass die Dame nicht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, sondern einer Gerichtsverhandlung fern geblieben war. Daraufhin hatte das Gericht Untersuchungshaft angeordnet.
Grundsätzlich halte ich es für sinnvoll, Alternativen zu einer Haftstrafe intensiv zu prüfen. Dies gilt insbesondere für Ersttäter mit kleineren Delikten. Ferner erachte ich es als wichtig, die Beratung der Betroffenen auf möglichst hohem Niveau zu sichern. Gerade unsere älteren Mitbürger benötigen angemessene Unterstützung, wenn sie den Überblick über finanzielle Aspekte verlieren oder die Konsequenz ihres Fehlverhaltens aus den Augen verlieren. Dies gilt auch jenseits der juristischen Erwägungen bei einer Urteilsfindung.
Das Strafgesetzbuch (StGB) sieht insoweit verschiedene Möglichkeiten vor und diese werden von den Gerichten auch angewandt. Bei der Strafzumessung hat das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander abzuwägen. Dabei spielen u.a. die Beweggründe und die Ziele des Täters, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen eine Rolle.
Im Falle der Verhängung einer Geldstrafe besteht gem. § 42 StGB die Möglichkeit von Zahlungserleichterungen. Die Vorschrift lautet: "Ist dem Verurteilten nach seinen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten, die Geldstrafe sofort zu zahlen, so bewilligt ihm das Gericht eine Zahlungsfrist oder gestattet ihm, die Strafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen. Das Gericht kann dabei anordnen, dass die Vergünstigung, die Geldstrafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen, entfällt, wenn der Verurteilte einen Teilbetrag nicht rechtzeitig zahlt. Das Gericht soll Zahlungserleichterungen auch gewähren, wenn ohne die Bewilligung die Wiedergutmachung des durch die Straftat verursachten Schadens durch den Verurteilten erheblich gefährdet wäre; dabei kann dem Verurteilten der Nachweis der Wiedergutmachung auferlegt werden."
Die von Ihnen beschriebene Zweiteilung von Strafrecht und Steuerrecht gibt es so nicht. Sowohl im StGB als auch in den Strafvorschriften der Abgabenordnung (AO) gibt es sog. Strafaufhebungsgründe. Eine strafbefreiende Selbstanzeige wird nur unter den Voraussetzungen des § 371 AO gewährt. Für den Verzicht auf den staatlichen Strafanspruch in diesen Fällen gibt es zwei Argumente: Zum einen sprechen fiskalische Gründe dafür (Erschließung bisher verborgener Steuerquellen). Zum anderen soll dem Steuerhinterzieher ein Anreiz gegeben werden, zur Steuerehrlichkeit zurückzukehren. Die Straffreiheit ist dann Belohnung für die mit der Steuernachzahlung verbundene Rückkehr zur Steuerehrlichkeit. Im StGB findet sich in § 24 ein Strafaufhebungsgrund. Wegen Versuchs einer Straftat wird danach u.a. nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Auch hiermit wird ein Anreiz zur Rückkehr zu gesetzmäßigem Verhalten gegeben. Der freiwillig vom Versuch einer Straftat Zurücktretende erweist sich typischerweise als minder gefährlich. Weil das Strafbedürfnis nicht mehr besteht ist ein Verzicht auf Strafe vertretbar.
Im Strafprozess wegen Steuerhinterziehung wurde Uli Hoeneß zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt. Weder Anklage noch Verteidigung haben Revision eingelegt, so dass das Urteil rechtskräftig wird.
Mit freundlichem Gruß
Hendrik Hoppenstedt