Helmut Scholz
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Frage von Michaela B. •

Frage an Helmut Scholz von Michaela B. bezüglich Gesundheit

Welche Nachweise, Belege, Aufzeichnungen etc. haben Sie, die die Verhältnismäßigkeit des aktuellen polit. SARS-COV-2 Umgangs sowie die geplanten Änderungen/ Verschärfungen zugehöriger Gesetzesmaßnahmen stützen? Konkret bedeutet dies: Wonach sind die Maßnahmen 1. geeignet? Wonach sind sie 2. erforderlich; also das MILDESTE Mittel? Und 3. welche Argumente wurden schließlich bei der Prüfung von Verhältnismäßigkeit; im Sinne von Nutzen und Schaden gegenübergestellt? Denn der Nutzen soll den Schaden deutlich überwiegen! Danke

Helmut Scholz
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Borger,

zuständig für diese Thematik ist nicht das Europäische Parlament, sie liegt in der Hoheit der jeweils nationalen Gesetzgebung, in diesem Fall also der deutschen bzw. in der Kompetenz des Deutschen Bundestages. Ich möchte Ihnen als Mitglied des Europäischen Parlaments natürlich trotzdem gern antworten.

Auch wenn die deutsche Bundesregierung mit dem Gesetzentwurf (4. Bevölkerungsschutzgesetz) dem Antrag der Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag nachkommt, bundeseinheitliche Maßnahmen per Gesetz durch den Bundestag statt durch Verordnungen der Landesregierungen festzulegen (https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/258/1925882.pdf), haben die Abgeordneten der LINKEN den Gesetzentwurf abgelehnt, da er sich zwar durch den Änderungsantrag der Koalition leicht verbessert hat, aber weiterhin sowohl zweifelhaft ist, ob er geeignet ist, die Inzidenzen zu senken als auch unverhältnismäßige Maßnahmen enthält. Ausschlaggebend für die Ablehnung durch DIE LINKE sind vor allem die folgenden Punkte:

1. Der gesamte Bereich des Arbeitsschutzes (Verpflichtung des Arbeitgebers zu kostenlosen Tests und zur Absicherung von Abstands- und Hygienemaßnahmen, Homeoffice) bleibt in dem Gesetzentwurf völlig unzureichend. Hier wäre ein stringenterer Vollzug der getroffenen Regelungen notwendig, sonst werden sie weitgehend unwirksam bleiben. Die Last zur Bewältigung der Pandemie darf nicht nur allein dem privaten Bereich und den Schulen auferlegt werden. Es gibt keinen Grund, in den Schulen verpflichtende Tests als Voraussetzung für Schüler*innen und Lehrkräfte zur Teilnahme am Präsenzunterricht einzuführen, aber die Arbeitswelt von einer solchen Regelung auszunehmen.

2. Unter den vorgesehenen Maßnahmen findet sich auch eine Ausgangssperre von 22 bis 5 Uhr. Die Änderung, dass von 22 bis 24 Uhr körperliche Betätigung im Freien erlaubt bleibt, ändert nichts an der grundsätzlichen Kritik. Eine so grundlegende Grundrechtseinschränkung ist abzulehnen, zumal die epidemiologische Wirksamkeit von nächtlichen Ausgangssperren nicht nachgewiesen ist und bis auf wenige Ausnahmen eine solche Ausgangssperre im konkreten Fall unverhältnismäßig wäre. Sie kann sogar fallzahlerhöhend wirken, da etwa Bahnfahrten und Einkäufe im Supermarkt in die Randstunden gedrängt werden könnten.

3. Ausgerechnet für den sensiblen Bereich der Schulen sieht der Gesetzentwurf eine Inzidenz von 165 als Schwellenwert für weitere Maßnahmen vor, während für alle weiteren Bereiche eine Inzidenz von 100 vorgesehen ist. Impfstoffe für die meisten Kinder im Schulalter sind noch nicht einmal zugelassen. Dabei wissen wir, dass gerade die mittlerweile in Deutschland vorherrschende Variante auch Kinder und ihre Familien betrifft.

4. Der Gesetzentwurf sieht keinerlei Maßnahmen zur Erhöhung der Produktionskapazitäten von Impfstoffen und Schnelltests vor, etwa durch die Freigabe der Lizenzen und des entsprechenden technologischen Know-Hows. Hier hat sich durch die Beratung im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages nichts geändert, die Koalition aus CDU/CSU und SPD mauert weiterhin. Das zentrale Versagen der deutschen Bundesregierung besteht also weiter fort.

Abschließend: Eine globale Pandemie kann nicht im nationalen Rahmen erfolgreich besiegt werden, weil das Virus in Form von resistenten Mutationen zurückkehren kann, wenn es nicht überall besiegt wird. Hier sind also europäische, besser noch globale Lösungen gefragt. Wir verlieren uns aber wieder im nationalen Kleinklein. Das bedauere ich.

Mit freundlichen Grüßen nach Ober-Ramstadt

Helmut Scholz