Helmut Scholz
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Frage von Siegfried S. •

Frage an Helmut Scholz von Siegfried S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Tag.

Mitte Mai machte ein Schreiben der EU-Parlamentarier Tiziano Motti und
Anna Záborská die Runde. Im Rahmen der Aktion „smile29.eu“
(s. http://smile29.eu/ ) wurden die Mitglieder des
Europäischen Parlaments gebeten (s. http://smile29.eu/doc/813903DE.pdf ), einen Aufruf zu unterzeichnen, in dem gefordert wird:

STOP SEXUAL HARASSMENT
STOP PAEDOPHILIA
STOP CHILD PORNOGRAPHY.

Der Aufruf weist unter C. (2) auf die Richtlinie 2006/24/EG hin, wonach der Zugriff auf gesammelte und zu sammelnde Suchmaschinendaten durch staatliche Stellen ermöglicht wird. Das entspricht dem Tatbestand der Vorratsdatenspeicherung.

Da hierauf nicht explizit hingewiesen wird, ist zu vermuten, daß unter
dem löblichen Deckmantel des Kampfes gegen Kindesmissbrauch andere Ziele verborgen werden sollen, wie beispielsweise ein gezieltes Vorgehen gegen Google, das bekanntlich auch von deutschen Unternehmen befürwortet wird.

Überdies darf angenommen werden, daß auf diese Weise die vielfach
propagierte Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür wieder
eingeführt werden soll.

Ich bitte daher um Auskunft, wie Sie zu diesem Aufruf stehen, und ob Sie diesen Aufruf unterzeichnet haben.

Mit freundlichem Gruß

Helmut Scholz
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Schlosser, 

die von Ihnen benannte Schriftliche Erklärung zur Schaffung eines europäischen Frühwarnsystems gegen Pädophilie und sexuelle Belästigung wurde von den beiden christdemokratischen Kollegen Záborská (Slowakei) und Motti (Italien) eingereicht. Die langjährige Debatte im Europäischen Parlament um die Vorratsdatenspeicherung hat gezeigt, dass zumindest einer der beiden Autoren bei der Verfolgung eines nachvollziehbaren politischen Ziels, sich gerade dieser Instrumente bedienen möchte. Wie sich bei meinen Kollegen das Verhältnis von Ziel und Mittel darstellt möchte ich nicht hier und öffentlich bewerten. 

Wie Sie wissen ist Vorratsdatenspeicherung eines der umstrittensten politischen Themen der letzten Jahre. In Deutschland ist derzeit keine solche Regelung in Kraft, nachdem das Bundesverfassungsgericht 2010 ein von der Großen Koalition beschlossenes Gesetz für verfassungswidrig erklärt und damit die Umsetzung einer entsprechenden EU-Richtlinie ausgesetzt hat. Die Partei DIE LINKE hat sich immer konsequent gegen ein anlassloses Sammeln und Speichern von Daten gewandt, da es alle Bürgerinnen und Bürger unter einen Generalverdacht stellt, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung beschädigt und zugleich eine Gefahr für die Pressefreiheit und für das Berufsgeheimnis von Ärzten, Seelsorgern oder Rechtsanwälten darstellt. 

Nachdem der Europäische Gerichtshof zwischenzeitlich die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung gekippt hat, sollte auch das von der Europäischen Kommission eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland vom Tisch sein. Die Versuche, das Thema über Hintertüren immer wieder zu aktivieren werden damit weder in der EU, in den Mitgliedstaaten und auch in Deutschland nicht beendet sein. Vor diesem Hintergrund fordere ich, jetzt weitere kritische Datensammlungen erneut auf den Prüfstein zu stellen. Eine solche Überprüfung sollte sich auf den Datenaustausch zwischen Frontex und Europol, den Polizeizugriff auf EURODAC und nicht zuletzt das TFTP-Abkommen und das PNR-Abkommen mit den USA erstrecken. 

Wollen wir, dass die in der EU geltenden Grundrechte wirklich ehrlich und tatsächlich geachtet werden, dann muss der gesamte Rahmen der inneren Sicherheit der EU einer umfassenden Überprüfung unterzogen und auf eine neue grundrechtebasierte Grundlage gestellt werden.

Mit freundlichen Grüßen

Helmut Scholz