Frage an Helmut Scholz von Annette S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Scholz,
wie Sie wissen gibt es in den verschiedenen Mitgliedsstaaten der EU recht unterschiedliche Bedingungen, um eine Staatsbürgerschaft zu erlangen. Angesichts sinkender Geburtenraten und der Notwendigkeit die Einwanderung zu regeln, halte ich es für sinnvoll, die Schwelle für Migrant(inn)en zur Staatsbürgerschaft und die damit verbundenen Rechte und Pflichten in den Mitgliedsländern aneinander anzugleichen.
Was werden Sie in dieser Legislaturperiode für die Vereinheitlichung des Staatsbürgerschaftsrechts in den verschiedenen Mitgliedsstaaten unternehmen?
Es soll meiner Meinung nach in allen Mitgliedsstaaten die gleichen Bedingungen für den Erwerb der Staatsbürgerschaft geben. Z.B. könnte wie 2006 in Portugal beschlossen, automatisch jedes in der dritten Generation geborenene Kind und möglichst unbürokratisch die Staatsbürgerschaft des Landes erhalten, in dem es aufwächst.
Mit freundlichen Grüßen
Annette Stilleke-Holobar
Sehr geehrte Frau Stilleke-Holobar,
Wie Sie sicherlich wissen, setzt sich die Partei Die Linke für eine grundlegende Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts in Deutschland ein. Wir zielen dabei darauf, dass Einbürgerungen umfassend erleichtert werden, was auch eine unbürokratische Senkung der existierenden Schwellen für Einbürgerungen und ebenso unbürokratische Lösungen im Hinblick auf Mehrstaatigkeit umfassen sollte.
Ihrer Frage entnehme ich, dass Sie eine generelle Harmonisierung zwischen den EU-Mitliedstaaten anregen, auch, da in einzelnen EU-Mitgliedstaaten durchaus bereits progressive Lösungen bestehen, durch deren „Weiterverbreitung“ wir zu einer ebensolchen progressiven gesamteuropäischen Lösung kommen könnten.
Dieser Bereich liegt außerhalb der Kompetenz der EU und damit auch eines unmittelbaren Agierens des Europäischen Parlaments. Ich halte diese Idee für durchaus politisch legitim habe aber in der Vergangenheit gelernt, dass dieses ein sehr schwerer Weg ist, zumal es in weiten Teilen der Gesellschaften der EU-Mitgliedstaaten große Zurückhaltung oder gar Widerstand dagegen gibt. Eine Modernisierung des Bürgerschaftsrechts muss nach meiner Überzeugung aus der Mitte der jeweiligen Gesellschaften kommen und kann sicher nicht per Beschluss des Europäischen Parlaments erzielt werden.
Ihre Frage bindet das Thema einer aktiven Teilhabe oder wie sie es sagen der Wahrnehmung von Rechten und Pflichten an die Staatsbürgerschaft. Ich bin aber auch der tiefen Überzeugung, dass es in der heutigen Zeiten einer hoher Mobilität von Menschen nicht nur innerhalb des EU-Raumes auch Lösungsformen geben muss, die nicht alleine von der nationalen oder einer EU-Staatsbürgerschaft (die es ja bisher nicht gibt und deren Schaffung in vielen Mitgliedstaaten äußerst umstritten ist) abhängen. In diesem Kontext engagiere ich mich in meiner Arbeit vor allem im Konstitutionellen Ausschuss des Europäischen Parlaments auch für eine Ausweitung von Rechten und Pflichten auf Nicht-Staatsbürger. Das beginnt alleine jedoch schon bei der Teilhabe an den vielschichtigsten kommunalen Entscheidungsprozessen, also dort, wo es wirklich um die konkreten Lebensverhältnisse aller dort Lebender geht.
Mit freundlichen Grüßen
Helmut Scholz