Frage an Helmut Günter Baumann von Johannes S. bezüglich Deutsche Einheit / Innerdeutsche Beziehungen (bis 1990)
Halten Sie Ihre Wahlkreiskonkurrentin von der SPD ohne abgeschlossenes Studium oder fertige Berufsausbildung für fähig, außer lautem Wahlkampf mit bestellten Juso-Funktionären und einer inszenierten Lobhudelei auf ihrer Homepage wirklich etwas für das Erzgebirge zu bewegen?
Würden Sie sagen, dass gerade die Probleme in Ostdeutschland und im eher strukturschwachen Erzgebirge nicht auch seriösere Kandidaten erfordern würde und nicht solche, die den Bundestag als Spielweise ansehen, auf der sie mal ausprobieren können, ob sich mit dem Polit-Studium nicht doch was anfangen lässt.
Welche Einstellung haben Sie persönlich dazu? Welche Reife sollte man mitbringen, um die Erzgebirgler in Berlin angemessen vertreten zu können?
Sehr geehrter Herr Schmidt,
zunächst möchte ich Ihnen sagen, dass ich mich über Ihr Interesse an den Direktkandidaten unseres Wahlkreises sehr freue.
Zur Qualifikation im allgemeinen:
unser Wahlrecht erlaubt jedem Volljährigen eine Kandidatur in den Deutschen Bundestag. Es knüpft dies nicht an besondere Qualifikationen, Berufs- oder Lebenserfahrungen. Nicht nur die SPD, auch die CDU/CSU und die anderen Parteien haben in ihren Reihen junge Kandidaten.
Meine Bewertung:
Die Präsenz junger Abgeordneter im Parlament ist prinzipiell nicht schlecht, sondern kann die Debatte bereichern. So haben die jungen Gruppen aller Fraktionen im Deutschen Bundestag einen gemeinsamen Antrag zum Thema Generationengerechtigkeit vorbereitet. Solche Initiativen, zumal parteienübergreifend, setzen die älteren Parlamentarier unter Druck, in diesem sensiblen Bereich (Staatsverschuldung; Krise der sozialen Sicherungssysteme) mehr zu bewegen als bislang bewegt worden ist. Das begrüße ich ausdrücklich!
Dennoch plädiere ich prinzipiell für einen anderen Einstieg in die Politik. Eine politische Laufbahn sollte mit einem ordentlichen Beruf – in welchem Berufsfeld auch immer – beginnen. Das politische Engagement sollte sich zunächst auf die Probleme vor Ort konzentrieren, um dann nach entsprechender Bewährung auch mal ein kommunales Wahlamt anzustreben. Die Erfahrungen, die man hier sammelt, sind ungemein wertvoll. Sie geben dem Politiker Bodenhaftung und immunisieren gegen weltfremde Ideen. Dem politischen Lernprozess sind in der Folge keine Grenzen gesetzt und dem Aufstieg bei entsprechenden Fähigkeiten auch nicht. Dem Einstieg in die Bundespolitik sollte aber in jedem Fall die Lokal- Regional- oder Landespolitik vorausgegangen sein. Bundespolitiker, die nicht in den Mühen der Ebene gereift sind, neigen zum Teil zu einer gewissen Abstraktheit und Lebensfremdheit.
Ich favorisiere damit freilich den Weg, den ich selbst als Bürgermeister der ersten Stunde in Jöhstadt zwischen 1990 und 1998 gegangen bin. Ich bin von diesem Weg überzeugt. Kein anderer hätte zu mir gepasst.
Ihre Anmerkungen zur Kandidatin der SPD habe ich zur Kenntnis genommen. Diese kommentiere ich nicht, da es für mich zur parlamentarischen Ethik gehört, den politischen Gegner immer sachlich, nie aber persönlich zu bewerten.
Mit freundlichem Gruß
Günter Baumann