Frage an Helmut Blöcker von Sabine N. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Dr. Blöcker,
wenn ich an die letzte rot-grüne Bundesregierung zurückdenke, fallen mir zuerst die Streichung des Erziehungsgeldes (was uns als junge Familie hart getroffen hatte), Hartz IV und 1-Euro-Jobs ein. Die Enttäuschung über die damalige Sozialpolitik sitzt bei mir tief und damit auch ein gewisses Misstrauen, wie weit sich die Grünen für eine Option der Mitregierung verbiegen lassen würden.
Dass Kompromisse bei einer Koalition notwendig sind, ist unbestritten. Aber inwiefern können sich Familien darauf verlassen, dass Sie im Falle einer grünen Regierung nicht wieder noch schlechter gestellt sein werden?
Welche Einflussnahme hätten Sie persönlich als Bundestagsabgeordneter ggf. bei Koalitionsverhandlungen? Würden Sie davon Gebrauch machen?
Mit freundlichen Grüßen
Sabine Neef
Sehr geehrte Frau Neef,
herzlichen Dank für Ihre auch für mich persönlich sehr wichtige Frage. Sie blättern sehr gut das Spannungsverhältnis zwischen einerseits Grundsätzen und Wahlprogrammbeschlüssen sowie andererseits notwendigen Kompromissen bei Koalitionsvereinbarungen auf.
Ich habe nicht zuletzt auf meiner Homepage für den laufenden Wahlkampf (www.helmut-bloecker.de) dargestellt, dass es insbesondere die Beschlüsse aus der rot-grünen Regierungszeit zu den Hartz-Gesetzen und zum Kosovo-Einsatz waren, die mich intensiv zweifeln ließen, ob meine Neigung zu den Grünen richtig war. Kein Zweifel bestand und besteht für mich daran, dass ein Gutteil dieser Beschlüsse auf die Sündenliste grüner Regierungsverantwortung gehört. Dies ändert sich auch nicht, wenn man sich vor Augen führt, dass die direkt verantwortlichen Minister von der SPD waren und damals ja auch über den Bundesrat die Union und die FDP ebenfalls erheblichen Einfluss hatten (Letzteres würde sich heute nach der Föderalismus-Reform anders darstellen!!). Meine damalige Konsequenz war letztlich, dass ich die Situation für mich als Herausforderung begriffen habe. Ich bin sehr froh darüber, dass ich inzwischen sehr viele Grüne kennen gelernt habe, die (ermutigt durch die Chance der Oppositionssituation und betroffen durch die reale Situation) in die selbe Richtung denken wie ich.
Welche Position in der Sozialpolitik haben die Grünen nun inzwischen entwickelt? Natürlich kann ich Sie hier einfach auf die entsprechenden Kapitel des 200-Seiten-Programms der Grünen zur Bundestagswahl verweisen (Link auf meiner Homepage), an denen ich als Mitglied der grünen Landesarbeitsgemeinschaft Soziales, als einfaches Parteimitglied und als Delegierter des Bundeswahlparteitages mit geschrieben bzw. mit beschlossen habe. Eine exzellente Zusammenfassung aktueller grüner Beschlüsse „für eine universelle, armutsfeste und individuelle soziale Sicherung für alle Bürgerinnen und Bürger“ stammt von Wolfgang Strengmann-Kuhn (grünes MdB). Sie ist auf meiner Homepage eingeleitet und verlinkt unter „Publikationen“. Sie werden sehen, dass die Grünen seit ihrer Zeit in der Schröder-Regierung sich auch sozialpolitisch erheblich weiter entwickelt haben.
Damit komme ich zum eigentlichen Kern Ihrer Anfrage: „Aber inwiefern können sich Familien darauf verlassen, dass sie im Falle einer grünen Regierung nicht wieder noch schlechter gestellt sein werden?“ Unter der Voraussetzung, dass man die heutige grüne Sozialpolitik für akzeptabel oder gar gut hält (was ich tue), hat Ihre Kernfrage eine weitere Frage zur Folge, nämlich die, welche Koalitionen die Grünen gegebenenfalls bereit sind einzugehen. Die aus sozialpolitischer Sicht schlimmste aller dieser Koalitionsmöglichkeiten mit grüner Beteiligung (schwarz-gelb-grün) haben wir per Parteitagsbeschluss ausgeschlossen. Schwarz-Grün fällt mangels Masse ziemlich sicher aus. Verbleibende Möglichkeiten würden auch sozialpolitisch nicht einfach sein, aber selbst die SPD ist vorsichtig dabei, ihren Agenda 2010-Kurs zu ändern.
Letzten Endes kann Ihnen niemand jetzt schon genau garantieren, was sozialpolitisch nach der Wahl passieren wird. Ich hoffe aber, dass Sie in meinen Ausführungen und Hinweisen Anzeichen für sozialpolitische Kompetenz und Neuausrichtung bei den Grünen entdecken konnten. Sie wissen natürlich auch, dass die Grünen sehr basisdemokratisch organisiert sind. Parteivorstand und Bundestagsfraktion sind sehr wichtig. Bei uns hat aber das letzte Wort bei wichtigen Fragen immer die Basis, also der Bundesparteitag. Und der hat aus meiner Sicht schon so manches Mal korrigierend eingegriffen, wenn etwas aus dem Ruder zu laufen drohte.
Ich weiß es. Man möchte Sicherheit haben für seine Familie und sein Leben. Leider wird Vieles immer eine Frage der aufmerksamen Beobachtung und des Vertrauens bleiben müssen. Aber vielleicht konnte ich Ihnen doch ein Stück weiter helfen.
Beste Grüße, Dr. Helmut Blöcker.