Frage an Helmut Blöcker von Norbert R. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Dr. Blöcker,
mit Schrecken hab ich das eben erschienene Buch von Ulfkotte "Bürgerkrieg" gelesen. Niemals hätte ich mir solche bereits vorhanden Zustände in Deutschland vorstellen können.
Zu meinen Fragen:
- Wie beurteilen Sie die Situation in Deutschland, gibt es in Deutschland wirklich bereits diese islamischen Stadtviertel, welche die Polizei nicht mehr unter Kontrolle bringt oder ist das Übertreibung? Was ist Ihr Konzept gegen diesen Terror, von dem ja auch andere nicht-muslimischen Mitbürger betroffen sind?
- Kennen sie die 150 potenziellen Schauplätze von Kämpfen, welche wohl von den deutschen Sicherheitsbehörden aufgestellt wurde? Wie beurteilen Sie das? Ist das Panikmache oder real? Was sind Ihre Maßnahmen?
- Was halten Sie von einer Grundsicherung (Grundeinkommen) für alle Bürger Deutschlands statt Harz-IV, unabhängig von der Erwerbstätigkeit?
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Reindl
Sehr geehrter Herr Reindl,
ich hatte Sie schon per E-Mail um Verständnis dafür gebeten, dass ich Ihre Anfrage erst beantworten möchte, wenn ich das von Ihnen erwähnte Buch von Udo Ulfkotte „Vorsicht Bürgerkrieg! Was lange gärt, wird endlich Wut“ gelesen habe. Das ist nunmehr trotz sich intensivierenden Wahlkampfes der Fall.
Ich habe Ulfkottes Buch gelesen, obwohl ich seinen Weg über viele Jahre verfolgt habe, der ihn von der Position eines einigermaßen angesehenen Mitarbeiters der liberal-konservativen Frankfurter Allgemeinen Zeitung zur Position eines Rechtspopulisten führte.
Das Perfide auch dieses „Werkes“ besteht darin, dass der Autor nach meiner Kenntnis zwar keinerlei Quellenfälschungen vornimmt, auch die eine oder andere Stimmung beschreibt und ebenso Schlussfolgerung beschreibt, der auch wir uns vielleicht anschließen können, sodass bei einigen Lesern sicherlich ein gewisses Maß an Grundvertrauen zum Autor entsteht, aber dann pickt er geschickt Unerträgliches heraus, braut ein Gebräu gegen bestimmte Minderheiten (insbesondere Muslime) zusammen, was mir sein Buch in weiten Teilen als typisch populistisch-hetzerisch qualifiziert. Auswahl und Kommentierung von Begebenheiten werden so kombiniert und kommentiert, dass man fast den Eindruck haben kann, der Autor möchte den Bürgerkrieg herbeischreiben oder eben nur einen Reißer vorstellen, der ihm viel Geld einbringt. Sozusagen ein fiktiver Thriller auf gesellschaftspolitisch.
Der vorherige Absatz beschreibt im Telegrammstil meine Einschätzung von Ulfkottes Person, seiner Vorgehensweise und seiner Absichten. Ich will damit keinesfalls nahe legen, dass in unserem Land keinerlei gesellschaftspolitische Gefahren lauerten. Natürlich gibt es das, was viele Menschen martialisch als sozialen Sprengstoff bezeichnen. Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander. Der Dreiklang aus Macht, Verantwortung und Haftung ist in Wirtschaft und Politik im Zuge des weltweit real existierenden Neoliberalismus völlig zu Dissonanzen verkommen. Nachhaltige Politik, welche die Lebensgrundlagen und gesellschaftlichen Konsens bei uns und zu anderen Ländern sichert, ist nicht Sache der Regierenden. Politiker vieler Parteien schielen permanent auf taktische Kurzfristerfolge gegenüber Konkurrenten, und sie schielen auf den nächsten Wahltag. Ähnlich geht es bei großen Teilen der Wirtschaft zu, wo schier atemlos auf den nächsten Bilanzbericht, auf die nächste Aktionärsversammlung geschielt wird.
Man müsste, wenn dieser Terminus nicht schon durch Kohl verbrannt wäre, eine „geistig-moralische Wende“ einfordern, die übrigens nicht nur Wirtschaft und Politik, sondern zumindest auch unsere Hochschulen und Fachhochschulen erfassen müsste. Immer mehr Menschen wissen das oder spüren das.
Der Zorn ist groß, und auch aggressive Wut ist hier oder dort zu sehen. Dies ist es, was mir meine eigene Lebenserfahrung erzählt. Sie erzählt mir aber nicht, dass „es (islamische) Stadtviertel gibt, welche die Polizei nicht mehr unter Kontrolle bringt“. Natürlich kenne ich nicht alle von Ulfkotte indizierten Stadtteile persönlich. Aber einige kenne ich aus Hamburg und Berlin schon relativ genau. Es sind zweifelsohne Problemstadtteile, die ein überlegtes Quartiersmanagement erfordern. Ebenso ist dort noch dringender als sonst überall in Deutschland, dass wir Bildungseinrichtungen (einschließlich Kitas) und Bildungsinhalte wie auch die Bildungsbetreuung quantitativ und qualitativ verbessern. Wir haben, gemessen an anderen Industrienationen, einen kapitalen Bildungsnotstand in Deutschland. Er übertrifft die Probleme in Folge der deutschen Einheit bei weitem. Und in der Wirtschaftskrise schlägt dies doppelt durch. Die Bildungsmisere ist nur mit Aussicht auf Erfolg zu bewältigen, wenn wir außergewöhnliche Maßnahmen ergreifen. Wir Grüne wollen deshalb zumindest einen Teil des allmählich abzuschmelzenden Solidaritätsbeitrags (Aufbau Ost) in einen Bildungssoli umwandeln.
Im Unterschied zum Ansatz von uns Grünen, sehe ich bei der Union vor allem und wieder einmal das ehrgeizige Ziel, zuerst polizeiliche, am besten aber militärische Mittel zur Lösung von innenpolitischen und sozialen Krisen einzusetzen, statt rechtzeitig sozialen Schiefentwicklungen mit sozialer Steuerung entgegen zu treten. Letzteres ist nicht nur logisch der beste Weg, sondern hilft auch ökonomisch am schnellsten weiter.
In Ihrem letzten Punkt oben fragen Sie nach der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens (BGE). Auf den ersten Blick hat dieser Punkt nichts mit Ihren anderen beiden Punkten zu tun. Wenn man aber Ulfkottes Horrorszenarien auf ihre Ursachen abklopft, wird der Zusammenhang aller Ihrer Punkte deutlich, weil der Ansatz für die Lösung der angesprochenen Probleme primär im sozialen Feld liegen muss.
Ich persönlich halte das BGE für zwingend erforderlich für unsere gesamte Gesellschaft. Ich bin für ein BGE, weil unser Bismarcksches Sozialsystem und der bisherige Arbeitsbegriff nicht mehr zeitgemäß sind. 60 Prozent aller Menschen in Deutschland leben von Transferleistungen verschiedener Herkunft. Wir sind mitten in einem gesellschaftlichen Umbruch. Das alte Wirtschaftsmodell nach Henry Ford (das „fordistische Modell“) wird nach und nach auslaufen. Wir werden in Deutschland immer stärker in einer Dienstleistungsgesellschaft mit wechselnden Beschäftigungsverhältnissen leben. Nur mit einem BGE können wir erfolgreich gegen versteckte/verschämte Armut vorgehen. Mit einem BGE helfen wir über Brüche in der Biografie hinweg, unterstützen ehrenamtliche Arbeit und schaffen mehr Freiheit für künstlerische Arbeit. Die Einführung eines personenbezogenen BGE wird auch einen erheblichen Beitrag zur Geschlechtergleichberechtigung leisten sowie als Löschwasser gegen überhitzte Abhängigkeit vom Wachstumszwang wirken. Das aktuelle grüne Wahlprogramm enthält den Beschluss, solide finanziert sowohl eine Kindergrundsicherung als auch eine Grantierente einzuführen. Dies führt zusammen mit einem Bündel von anderen Maßnahmen, die wir durchgerechnet haben, zu mehr Bildungs- und Lebensgerechtigkeit sowie zu sozialer Sicherheit und in der Folge auch zu einer stärker befriedeten Gesellschaft. Diese programmatischen Maßnahmen kann man durchaus als Einstieg in ein BGE bewerten.
Wenn Sie mehr zu den Details unseres Programms lesen wollen, so können Sie dies unter http://www.gruene.de . Ich schicke Ihnen auch gerne das gedruckte Programm zu.
Beste Grüße, Dr. Helmut Blöcker.