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Helge Limburg
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Stephan V. •

Was halten Sie davon, dass Länder einzelne Teile der Gesetzgebung vorsätzlich nicht umsetzen? Wollen Sie in Deutschland Maßnahmen einführen die Gesetzesumsetzungen sicherstellen, bspw durch Beugehaft?

Am 10. Dezember des vergangenen Jahres wurde mit einer Änderung des Infektionschutzgesetzes die Impfpflicht für einige Berufsgruppen beschlossen. Zum 15. März sollte diese greifen. Doch haben einige Bundesländer mitgeteilt diese Pflicht vorerst nicht umzusetzen. Allen voran Bayern unter Ministerpräsident Söder.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich Herr Söder weigert geltende Gesetze umzusetzen. 2019 musste sich der EuGH damit beschäftigen, ob ein Minister in Deutschland persönlich in Regress oder sogar Beugehaft genommen werden kann, um ihn zum Einhalten von rechtskräftigen Urteilen zu zwingen. Mangels gesetzlicher Regelungen war das nicht der Fall, wenn auch der EuGH diese Möglichkeit den Staaten grundsätzlich eröffnet sah. In Deutschland mangelt es an einer entsprechenden Regelung und Herr Söder und seine Kolleg:innen können sich derzeit sicher sein, im Falle der Verweigerung der Umsetzung von Gesetzen oder Gerichtsurteilen keine Konsequenzen befürchten zu müssen.

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Antwort von
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Die Nicht-Umsetzung wirksamer gerichtlicher oder gesetzgeberischer Entscheidungen durch manche Länder finde ich höchst besorgniserregend. Unser Rechtsstaat ist darauf angewiesen, dass alle Beteiligten den Willen haben, Recht und Gesetz an die erste Stelle zu setzen. Durch die Nicht-Umsetzung von Urteilen und Gesetzen wird daher – wenn auch vielleicht nur in Einzelfällen – an den Grundfesten unserer Demokratie gerüttelt. Auf europäischer Ebene zeigen uns die Beispiele Polens und Ungarns, wie sehr einzelne Blockade-Akteure das demokratische System ausbremsen können. Auch wenn wir von einer solchen Entwicklung in Deutschland noch weit entfernt sind, sollten wir diese Entwicklung sehr ernst nehmen. Allerdings denke ich, dass Beugehaft sicherlich nicht das richtige Mittel ist, um dem zu begegnen. Der Kooperationswille der Länder würde wohl nicht stärker werden, wenn es zur Verhängung von Beugehaft gegen Teile derer politischen Führung käme. Letztlich würde man deswegen mit der Beugehaft wahrscheinlich eher das Gegenteil des Nötigen erreichen, nämlich die Stärkung des Kooperationsverhältnisses zwischen Bund und Ländern.

Sinnvoller erscheint es mir daher, die bestehenden Sanktionsmechanismen zu nutzen – mit den einschlägigen verfassungs- und verwaltungsgerichtlichen Verfahren und dem in Art. 37 GG vorgesehenen Bundeszwang verfügen wir rechtlich an sich schon über geeignete Mittel. Allerdings müssen die bestehenden Mechanismen auch so ausgestalten werden, dass sie in der Praxis effektiv wirken können. So könnte die zulässige Höchstgrenze für gerichtlich zur Urteilsvollstreckung verhängte Zwangsgelder (etwa nach § 172 VwGO) in solchen Fällen angehoben werden, damit etwaige Zwangsgelder auch wirklich geeignet sind, das betreffende Land zur Umsetzung seiner gesetzlichen Pflichten zu bewegen. Dafür ist es auch unerlässlich, dass das Zwangsgeld nicht wie bisher zu dem rechtsuntreuen Land selbst zurückfließt. Beides würde helfen, ein effektives finanzielles Sanktionsmittel für Rechtsuntreue durch die Länder zu schaffen. Hilfreich wäre auch, wenn der Bundesrat seine Geschäftsordnung insoweit ändert, als dass im Falle der Abstimmung über Maßnahmen des Bundeszwangs (Art. 37 GG) das betroffene Bundesland nicht selbst mit abstimmen kann, um das Durchgriffsrecht des Bundes bei Nicht-Umsetzung bundesrechtlicher Pflichten zu effektivieren.

Herzliche Grüße,

Helge Limburg

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